Katzenmuseum: Die Katzenbilder von Kotor

Wie viele Katzenmuseen mag es auf der Welt geben? Ein kleines  Katzenmuseum  gibt es in Kotor, Montenegro, dem wohl geheimnisvollsten Land Europas.

Mit 3000 Meter hohen Bergen, den letzten Urwäldern Europas, Bären, Wölfen – und einer 30 Kilometer langen Bucht, der Boka Kotorska.

In der historischen Altstadt von Kotor, umsäumt von meterdicken Mauern, steht nicht nur die Kirche des Heiligen Tryphon mit zwei unterschiedlich hohen Türmen. In einem alten, restaurierten Haus befindet sich auch das Katzenmuseum eines privaten Liebhabers von Katzen.

Das Katzenmuseum besteht aus vier Räumen. Gezeigt werden hier vor allem Fotos, Zeichnungen,  kleine Gemälde, Ausstellungskataloge und Zeitschriften mit Katzenfotos.

Während die Besucher des Katzenmuseums für einen Euro Eintritt das Museum besuchen können, schlummert die Katze des Museumsgründers draußen vor der Tür.

Auf der Website des Katzenmuseums (www.catsmuseum.org) heißt es:  „Die Idee zur Errichtung eines der Katze gewidmeten Museums entstand durch die  Spende einer antiquarischen Gemäldesammlung der Gräfin Francesca di Montreale Mantica.  Die gespendeten Bilder flossen in die Sammlung des Internationalen Zentrums zur Adoption der Katzen “Badoer” in Venedig ein, die sich in den letzten 10 Jahren durch zahlreiche Spenden und gezielte Zukäufen weiter vergrößerte.“

(Stadtmauer von Kotor, Montenegro, mit Blick zur Burg Sveti Ivan; Fotorechte: Edgar S. Hasse)

Montenegro liegt an der Adria-Küste, ist so groß wie Schleswig-Holstein und hat rund 640.000 Einwohner. Das Land gehörte früher zu Jugoslawien und ist seit 2006 unabhängig. Seit 2017 gehört es der NATO an.

Kreuzfahrtschiffe passieren die schmale Verige-Meerenge in der Boko Kotorska und liegen häufig vor Reede im südlichsten „Fjord“ Europas. Dann ist es nur noch ein Katzensprung weit bis zum Katzenmuseum.

Weitere Informationen zum Katzenmuseum Kotor

Trg Gospa od Anđela
Stari Grad 371

Kotor 85330

Montenegro.

Mit der Bahn nach Olympia

Wo die antiken olympischen Spiele begannen: In Olympia (Griechenland) vor mehr als 2700 Jahren.

In Olympia (Peloponnes, Griechenland) hat alles nachweislich im Jahr 776. v. Chr. begonnen. Ein großes Freigelände, 35 Kilometer von der Hafenstadt Katakolon, birgt die antiken Schätze wie das Philippeion (Foto).

Das sportive Herzstück ist freilich der Zugang zum Stadion (Foto) mit dem Stadion selbst, 600 Fuß land (fast 200 Meter). Auf der Anhöhe saßen in der Sommerhitze bis zu 40.000 männliche Zuschauer, ohne Kopfbedeckung. Es waren Spiele für den Gott Zeus.

Wie aber gelangt man nach Olympia, wo auch heute noch alle vier Jahre mit einem Spiegel das Olympische Feuer am Hera-Tempel entzündet wird?

Mit der griechischen Bahn! Von Katakolon, nicht weit vom Kreuzfahrtanleger, in 45 Minuten für den Preis von zehn Euro (hin und zurück), Stand:  Mai 2017. Der Zug nach Olympia verkehrt vormittags gegen 8.30 Uhr und 10 Uhr; Rückfahrt ab Olympia unter anderem gegen 13 und 15 Uhr. Ein Zwischenhalt erfolgt nicht. Die Fahrt wird von häufigem Tuten an unbeschrankten Bahnübergängen begleitet.

Vom Bahnhof in Olympia geht es über die Hauptstraße bis zum antiken Museumsgelände, am besten zu Fuß. Gleich am Eingang steht das Archäologische Museum. Es birgt unter anderem den Ost- und Westgiebel des Zeus-Tempels aus dem 5.Jahrhundert v. Chr. Ein Erdbeben 1000 Jahre später zerstörte fast alles. Dazu kam, dass die Olympischen Spiele als heidnischer Kultur vom 4. Jahrhundert verboten wurde. Erst im 19. Jahrhundert erlebte die Olympische Idee eine Renaissacne.

Fotorechte: E. S. Hasse

Gefangen im Eis Grönlands

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Ostgrönland – Eisberg. Foto: Hasse

Edgar S. Hasse

 Nichts geht mehr. Wir stecken im Eis fest, mitten in der Nacht. Der russische Kapitän Yaroslaw Gonta lässt die Suchscheinwerfer anknipsen: Endlose Treibeisfelder stoppen die Weiterfahrt der „Sea Spirit“ durch das größte Fjordsystem der Erde, den Scoresby-Fjord. Die bis zu 2000 Meter hohen, schneebedeckten Berge an der Ostküste Grönlands kappen jeden Funkkontakt – Internet und Telefon gibt es schon seit Tagen nicht mehr.

Am Morgen noch hatte der Kapitän auf der Brücke mitten im September Weihnachtslieder gesungen. Es rieselte der erste Schnee vom arktischen Himmel herab, an dem drei Tage zuvor gegen Mitternacht Polarlichter zu sehen waren. Und nun: Grönland – ein Winterwonderland. Von der entspannten Stimmung ist jetzt nichts mehr zu spüren. „Wäre ich doch nur in der Karibik unterwegs“, sagt der Seemann aus der Schwarzmeermetropole Odessa. Und er meint es ernst.

Grönland: Sonnenuntergang in einem der ostgrönländischen Fjorde. Foto HASSE

Die gut 100 Passagiere genießen trotzdem die Zwangspause. Sie lassen sich bei der „stuck in the ice party“ den Whisky mit Gletschereis servieren und gucken in der Schiffsbibliothek Urlaubsfotos an. Einer fotografiert sogar per Drohne. Digitale Kleinode einer atemberaubenden Seereise zum größten Nationalpark der Erde. Fest gebucht: Polare Natur pur – und die Hoffnung, Eisbären zu sehen.

Passagiere erkunden abgelegene Regionen

Zehn Tage dauert der Törn auf der 90 Meter langen „Sea Spirit“ von Island in die bis zu 2000 Meter hohen grönländischen Fjorde. Das Schiff gehört, 1991 als „Renaissance V“ gebaut, zur russischen Reederei Poseidon Expeditions. Es verfügt über eine Eisklasse für polare Regionen und ist das kleinste deutschsprachig geführte Expeditionsschiff.

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Sea Spirit   Foto. hasse

Mit Zodiacs, den vielfach bewährten Schlauchbooten, finden auf dieser Reise rund 20 Anlandungen statt. So erkunden die Passagiere abgelegene Regionen der ostgrönländischen Tundra, die nur sehr selten von Menschen erreicht werden. Rote Polar­jacken, die jeder Gast erhält, schützen vor der Kälte. Die Temperaturen liegen im Spätherbst ohnehin um den Gefrierpunkt. Der Winter beginnt. „Wer“, raunt ein Passagier bei der Eisparty, „soll uns hier rausholen, wenn wir längere Zeit festsitzen?“ Vielleicht, scherzt einer, kann Felicity Aston weiterhelfen. Sie ist die erste Frau der Welt, die 70 Tage allein auf Skiern in der Antarktis bis zum Südpol unterwegs war. Die 34-jährige Britin fährt bei diesem Törn als Vortragsreisende mit und weiß, wie man im ewigen Eis überleben kann.

Photo by Paul Zizka/Visit Greenland A/S  Mit freundliche Genehmigung von  http://www.greenland-travel.de

Erst tauchen Delfine auf, dann die ersten Eisberge am Horizont

Man muss schon etwas abenteuerlustig sein, um eine solche Schiffsreise zu unternehmen. In der isländischen Hafenstadt Akureyri waren wir an Bord gegangen. Bei der eintägigen Passage durch die wegen ihre Stürme gefürchtete Dänemark-Straße sahen wir Delfine und Sturmmöwen, bis die ersten Eisberge am Horizont auftauchten – bizarre Kunstwerke, geformt aus Wind und Wellen. Unter dem Wasser schimmerten sie blau, bis sie im Sonnenlicht über dem Wasser pittoresk weiß strahlende Formen entfalteten.

„Gruppe A“, tönt eine Stimme aus den Lautsprechern. Am zweiten Tag an Bord heißt es: Fertigmachen für den ersten Landgang. Rettungsweste, Gummistiefel, Polarjacke – und dann ab in die Schlauchboote. Dmitri, der russische Biologe, startet den Motor, und nach rasanter Fahrt erreichen wir die Mückenbucht (Myggbukta). Sie heißt deshalb so, weil im Sommer Myriaden von Moskitos die Gegend bevölkern. Jetzt ist die Tundra herbstlich gefärbt und alle Gäste steuern zielstrebig eine unbewohnte Hütte an, vor der Moschusochsen-Knochen liegen.

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von greenland-travel.dk

Die einsame Gegend ist für die Dänen zum nationalen Symbol geworden: Im Jahr 1931 besetzten norwegischer Pelzjäger die Bucht, hissten ihre Nationalflagge und beanspruchten das Gebiet für Norwegen. Dänemark fühlte sich provoziert und übergab den Fall an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Am Ende bekam Dänemark recht. Bis heute gehört Grönland – mit seinen 56.000 Einwohnern und einer Fläche von 2,1 Millionen Quadratkilometern die größte Insel der Erde – zu Dänemark.

Nach der Nacht im Eis bricht ein neuer Morgen an. Es scheint, als könnte es einen Weg durch die Treibeisfelder geben. Wie in Zeitlupe navigiert Kapitän Gonda durch das Eis, wir wollen endlich heraus auf die offene See. Unser Ziel: die Inuit-Siedlung Ittoqqortoormiit. Insgesamt 15 Stunden lang wird der Kapitän auf der Brücke stehen und uns schließlich wohlbehalten aus der Treibeiswüste herausbringen.

45 Thailänder sind an Bord, die zum ersten Mal Schnee sehen

Die Gäste nutzen die langsame Fahrt, um zu dösen oder Fotos anzuschauen. Eine Gruppe von 45 Thailändern hat diese Reise ebenfalls gebucht. Die meisten von ihnen ­sehen in diesen Tagen zum ersten Mal Schnee und zeigen stolz ihre Selfies, mal mit selbst gebautem Schneemann, mal mit dem Waltershausen-Gletscher im Hintergrund.

Dieser elf Kilometer lange und etwa 20 Meter hohe Gletscher lässt alle Passagiere staunen. Er wurde nach dem deutschen Geologen Wolfgang Sartorius von Waltershausen benannt, der die Fjorde in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkundet hatte. Vorsichtig nähern sich die Zodiacs in respektvollem Abstand der Gletscherwand, als die ersten Thailänder zu schreien beginnen. Tatsächlich brechen auf einmal riesige Eisbrocken ab und stürzen in die Tiefe. Langsam baut sich im Wasser eine nicht ganz ungefährliche Tsunami-Welle auf, zum Glück sind wir weit weg, sodass keines der Boote kentert.

„So etwas“, sagt Anja Erdmann, „habe ich noch nicht gesehen. Das war wirklich sehr eindrucksvoll.“ Die 38-Jährige arbeitet seit vielen Jahren als Expeditionsleiterin für Poseidon Expeditions, kennt die Arktis genauso wie die Antarktis. Ihre Liebe zu den polaren Regionen begann für die Cottbuserin hier, in Grönland. Sie spricht fließend Grönländisch und gibt den Passagieren einen Crashkurs in dieser Sprache. „Wenn wir nach Ittoqqortoormiit kommen, sollen wir immer freundlich lächeln und gern auch ‚Krüanak‘ sagen. Das heißt „Danke“.“ Die Expeditionsleiterin spricht den langen Ortsnamen so routiniert aus, als würde sie Doberlug-Kirchheim sagen. „Mich“, sagt die leitende Reederei-Angestellte, „fasziniert an der Arktis die Mischung aus Natur, Kultur und Begegnung mit den Menschen.“

So vergehen die Tage an Bord mit ganz eigenem Rhythmus. Landeskundliche Vorträge, Anlandungen und feste Essenszeiten im Restaurant prägen den Ablauf. Morgens hört man einen Vortrag über die Sitte der Grönländer, tote Krabbentaucher in ein Robben- oder Walrossfell einzuwickeln, sechs Monate lang im Strand zu verbuddeln und danach zu verspeisen. Diese mumifizierte Vogelart schmecke dann wie Käse, sagen sie. Und abends servieren die Kellner Fisch- und Fleischgerichte gehobenen Standards. Ohne heimische Spezialitäten.

Die Menschen in Ittoqqortoormiit leben vom Walfang und Tourismus

Die Fahrten durch den Kaiser-Franz-Joseph-Fjord und den König-Oskar-Fjord mit den von 2000 Meter hohen Bergen umgebenen Alpefjord lassen die Zeit vergessen und einzigartige Augenblicke und Stunden erleben. Zum Beispiel die Polarlichter, die als solares Feuerwerk über den klaren nächtlichen Himmel huschen und die schlummernden Passagiere auch nach Mitternacht auf die Decks locken. Oder wie die Sonne bei glasklarem Himmel hinter den Bergen untergeht und die Sterne in der spiegelglatten See funkeln.

Die Polarreisenden schauen durch ihre Ferngläser, um vielleicht den einen oder anderen Eisbären auf einer Scholle oder an Land zu sehen. Aber diese Reise bietet leider kaum Gelegenheit, Tiere zu sichten. Vögel sind genauso so selten wie die imposanten Moschusochsen. Wer das Glück hatte, einen Polarfuchs und einen Polarhasen zu fotografieren, zeigt die Bilder mit einem Stolz, als würde es sich dabei um kleine Reliquien handeln.

Sollte Ittoqqortoormiit die Wende bringen? Nach einer ruhigen Nacht, in der gefühlt zum 20. Mal derselbe Film des Polarforschers Arved Fuchs im Bord-TV gezeigt wird, taucht die Siedlung schemenhaft im Nebel auf. In dem „Ort mit den großen Häusern“, so heißt der Name übersetzt, leben rund 450 Einwohner, darunter 54 Schulkinder. Die Siedlung gilt zusammen mit Quaanaaq als die isolierteste Siedlung Grönlands. Die Menschen leben vom Walfang und neuerdings auch vom Tourismus. Als wir anlanden, herrscht große Aufregung im Dorf. Ein Eisbär war mitten ins Dorf gelangt, hatte auf der Müllkippe nach Essbarem gesucht und danach die Flucht vor bewaffneten Männern ergriffen. Sie wissen, dass in der ganzen Arktis nur doch rund 30.000 Eisbären leben. Sollten die Tiere aber Leib und Leben der Einheimischen akut bedrohen, werden sie erschossen.

Junge Männer fahren derweil in ihren Quads über die holprigen Steinstraßen und grüßen die Tagestouristen auf Grönländisch: Sie ziehen die Augenbrauen nach oben. Wären sie nicht unterwegs, um Handwerker-Touren zu machen, der Ort wirkte wie ausgestorben. Selbst die Schlittenhunde dämmern seelenruhig vor sich hin. Touristen und Tiere bleiben in sicherer Distanz, als ahnten es die Hunde: Jedes Tier, das einen Menschen beißt, wird sofort erschossen.

Oben auf dem Berg stehen zwei Inuit, ein Fernglas in der Hand. Ihr Blick ist auf einen Punkt ganz in der Ferne gerichtet. Es ist der Eisbär auf Nahrungssuche. Ob er heute noch lebt, das wissen allein die Leute von Ittoqqortoormiit.

Tipps & Informationen

Anreise: Nonstop mit Icelandair, Germanwings oder Air Berlin in die isländische Hauptstadt Reykjavik. Am nächsten Tag folgt eine sechsstündige Busfahrt in die Hafenstadt Akureyri.

Pauschal: Die nächste Reise nach Ostgrönland mit der „Sea Spirit“ findet vom 13. bis 23. September 2016 statt. Ein- und Ausschiffung ist in Reykjavik. Von Island aus geht es über die Dänemarkstraße in den Scoresbysund nach Ostgrönland, Preis ab 3395 Euro, www. poseidonexpeditions.de

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung von Poseidon Expeditions.)

veröffentlicht: Hamburger Abendblatt, 25.5.2016

Weihnachten als Ereignis und Fest

Theologische und  medienwissenschaftliche Erwägungen

(Mein Betrag: Nordelbische Stimmen, 2011)

Weihnachten, das „Fest aller Feste“ (Manfred Josuttis), impliziert eine Vielzahl von Deutungen. Sie umfassen christologische, inkarnatorische Glaubensinhalte genauso wie pagane Relikte und moderne Umformungsprozesse zum jahreszyklisch zentralen Familienfest  mit dem am Heiligen Abend exzessiv praktizierten Ritual des Schenkens, das auf eine Stabilisierung der familialen und sozialen Interaktionen zielt. Aus empirischer Perspektive erodiert in der Gegenwart der christliche Kern des Weihnachtsfestes und verschwindet die Inkarnationsmetapher aus der öffentlichen Wahrnehmung.[1] Diese Entwicklung ist im Zusammenhang mit einer sukzessiven Veränderung der modernen Festkultur zu betrachten, bei der nicht mehr der Ursprungsmythos des Festes im Mittelpunkt steht, sondern das erlebnis- und eventorientierte Feiern. Tradierten Festen droht deshalb der Verlust der Sinnbezüge.[2]

Verweist das Weihnachtsfest aus kulturwissenschaftlicher Sicht als Medium kollektiven Gedächtnisses[3] in Gemeinschaft stiftender Funktion mit seiner religiösen Basisstory auf die heilige, transzendentale Dimension, dreht sich in der säkularisierten Eventfixierung vieles um Kommerz und exzessives Feiern. Praktische Theologie als Wahrnehmungswissenschaft steht vor der Aufgabe, diesen heortologischen Wandel in den Blick zu nehmen und Konsequenzen für kirchliches Handeln zu ziehen. Dazu soll hier ein Beitrag geleistet werden. Nach Distinktionen zum Ereignisbegriff in der hermeneutischen Theologie folgen Beobachtungen der Ereignisdimension im Kontext der Mediengesellschaft und schließlich handlungsorientierte Ableitungen. Die These ist, dass die kulturhermeneutische Wahrnehmung von Weihnachten als Ereignis und Event Potenzial entfalten kann, Impulse für Liturgie und Homiletik zu gehen.

  1. Ereignis – Zur Etymologie

Anders als der eher starre deutsche Begriff Fest evoziert das Wort „Ereignis“ im etymologischen Rückgriff eine semantische Nähe zur Phänomenologie[4], geht es doch auf die neuhochdeutschen Verben „eräugen“, „etwas zeigen“, „etwas vor Augen bringen“ zurück. Doch mehr noch als im Deutschen drückt das Lateinische „evenire“ (eventum=das, was herauskommt) jenes konstitutive Element der Bewegung und Dynamik aus, das an einen Geburtsvorgang erinnert. Die phänomenologische Erkundung präzisiert den Begriff nun dahin gehend, dass zum Wahrnehmen von Ereignissen ein je individuelles und kollektives Auffassen, Erleben und Erfahren – und dem lateinischen Wortsinn entsprechend – Widerfahren inkludiert werden kann, bei dem Momente der Auffälligkeit, des Unerwartetseins, der nachhaltigen Veränderung einer Situation und der (nicht beliebig möglichen) Wiederholbarkeit wichtig sind.[5] Die allgemeine Rede von Weihnachten als Ereignis eröffnet daher bereits auf der Begriffsebene einen Aktualitäts-, Dynamik-, Erlebnis- und Relevanzbezug, der mit der dichten Beschreibung als Fest nicht zu erzielen ist. Wer daher Weihnachten als Ereignis – und in trivialpopularer Form als  „Event“ – begeht, legt das Gewicht auf den Vollzug des aktualen Erlebens und nicht mehr ausschließlich auf das kulturell basale Element der Erinnerung.

  1. Theologische Distinktionen

In der Sprache der hermeneutischen Theologie, locus classicus der theologischen Rede vom Ereignis, wird jenes aktuale, präsentische Element – mutatis mutandis –  mit der existentialen Kategorie des „Augenblicks“ zum Ausdruck gebracht. In Rudolf Bultmanns präsentischer Eschatologie wird der aktuale, individuale Aspekt der „Vergegenwärtigung“ des historischen Faktums der Geburt Jesu deutlich, wenn er schreibt, „dass wir an Weihnachten jene eigentümliche Paradoxe feiern, dass ein historisches Ereignis zugleich das ‚eschatologische‘ Ereignis ist“.[6] Festzuhalten bleibt an dieser Stelle zunächst, dass Übereinstimmungen zwischen einem säkular virulenten und einem theologisch gedeuteten Ereignisbegriff bei aller Äquivokation bestenfalls in formaler Analogie bestehen können[7], die sich in den je verschieden interpretierten Faktoren der Bedeutsamkeit, der Aktualität und räumlichen, zeitlichen und individuellen Nähe zeigen.

  1. Weihnachten als mediales Ereignis

Evident ist der Ereignischarakter des Christfestes insbesondere im Blick auf die Mediengesellschaft[8], die das Christfest auf allen Kanälen kommuniziert – von den Printmedien bis zum Fernsehen. Medien bestimmen die öffentliche Agenda, indem sie Aussagen aus der Flut von Informationen selektieren; sie berichten grundsätzlich über Stellungnahmen, Themen – und Ereignisse. Dabei ist Weihnachten nicht nur ein „Thema“ unter vielen, sondern angesichts der gesellschaftlichen Omnipräsenz ein Ereignis, das zum jeweiligen Zeitpunkt hochrelevant und aktuell ist sowie über einen erkennbaren Anfang und ein absehbares Ende[9] verfügt. Die Medien berichten darüber in Meldungen und Reportagen, übertragen Christmetten aus den Kirchen und setzen sich mit dem Fest in Leitartikeln und Kommentaren auseinander. Weil auf Weihnachten die klassischen Nachrichtenfaktoren und journalistischen Selektionskriterien wie „Bedeutsamkeit“, „räumliche“ und „zeitliche Nähe“ sowie „Eindeutigkeit“ zutreffen, wird es als Ereignis – und nicht nur als journalistisch relativ beliebiges Thema –  medial rezipiert und inszeniert.  In der Hierarchisierung des Bedeutungsgrades von Ereignisses kann das Christfest sogar als „Schlüsselereignis“ verstanden werden, weil es über den in der Adventszeit die Frequenz der Berichterstattung intensivierenden „Schwellenfaktor“ verfügt und journalistische Berichtsroutinen angesichts dieser Relevanz verändern kann. Konkret heißt das: Während Massenmedien sonst für Dramatisierung, Skandalierung und Irritation im gesellschaftlichen Diskurs sorgen[10], publizieren sie zum Fest regelmäßig Appelle, zur Ruhe zu kommen. Oder – wie seit Jahren die „Bild“-Zeitung in ihrer Weihnachtsausgabe – „nur gute Nachrichten“. Und das, obwohl sonst  die Maxime gilt: „bad news are good news.“

Dieses Schlüsselereignis ruft alljährlich auch den  Bundespräsidenten auf den Plan. Seine Weihnachtsanspruche im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird zum vielfach kommunizierten TV-Ereignis. Die Ansprache von Christian Wulff am 25. Dezember 2010, die erstmals vor 200 ins Schloss Bellevue geladenen Bürgern aufgezeichnet wurde, verfolgten mehr als sechs Millionen ARD-Zuschauer. Angesichts dieses medialen Befundes steht außer Frage, dass die Gesellschaft Weihnachten nicht nur als Medium kollektiven Gedächtnisses und als zentrales Fest der Familie feiert, sondern aktual und erlebnisorientiert inszeniert und facettenreich „vor Augen bringt“. Weihnachten ist somit zum massenmedialen Ereignis geworden. Die bloße Erinnerungskultur und der gefühlsaffine Rückzug in das heimische Wohnzimmer als „Privatkathedrale der Individualreligiosität“[11] findet folglich ihre Ergänzung – und zuweilen ihren Ersatz – in der aktualen Ereignis- und Erlebnisdimension.

  1. Weihnachten als Event

Gehört zum Fest als Kategorie der kollektiven Zeiterfahrung und intendierten Unterbrechung des Alltags neben dem Ursprungsbewusstsein auch die Ästhetik der Festkultur und das gemeinschaftliche Feiern[12], so dominiert bei einem Event die Form über dem Inhalt – mehr noch: der Inhalt wird beliebig. Weihnachten als Event lässt sich in der Gegenwart dort beobachten, wenn auf den vielen Weihnachtsmärkten sich alles um Punsch, Promille und Kommerz dreht und in Endlosschleifen die ewig gleichen englischsprachigen Weihnachtslieder aus den Lautsprechern tönen. Aber auch in familialen und jugendkulturellen Kontexten ist der Wandel vom Fest zum Event und damit zur sinnentleerten Party mit exzessiven Zügen im Essen und Trinken zu beobachten. Dass diese Entwicklung kulturhermeneutisch ernst zu nehmen ist, bekräftigen neue demoskopische Daten, nach denen  drei von zehn befragten Deutschen nicht wissen, warum eigentlich Weihnachten gefeiert wird.

  1. Konsequenzen für kirchliches Handeln
  1. Das Verständnis von Weihnachten als massenmedial inszeniertes Ereignis und als Event leistet einen kulturhermeneutischer Beitrag zur Deutungspluralität des Christfestes unter den Bedingungen der modernen Mediengesellschaft. Wer als PredigerIn die ereignishafte Ubiquität und Omnipräsenz – von den Weihnachtsmärkten und -feiern bis zu Kitsch, Kommerz und trivialer TV-Unterhaltung – wahrnimmt, bekommt die Diversifikation der gesellschaftlichen und individuellen Inszenierungspraktiken des Christfestes in den Blick.
  2. Kirchliches Handeln sollte das diffuse Bedürfnis der Menschen, dieses Fest mit allen Sinnen als Ereignis, Event – und als x-mas-Party – zu feiern, ernst nehmen und respektieren. Und zwar aus schöpfungstheologischen Gründen.[13] Schließlich geht es ihnen darum, Ja zum Leben zu sagen, sich an den Dingen und Gaben des Lebens zu freuen und sie zu genießen. In der Weihnachtspredigt könnte daher das Thema der göttlichen Gutheißung der Welt im Mittelpunkt stehen. Wo die Freude über die Schöpfungsgaben und das Kommen Gottes überwiegt, hat das homiletische Nachdenken über die Sündhaftigkeit des Menschen genauso sekundäre Bedeutung wie die Fundamentalkritik an der säkularen und exzessiven Festfreude.
  3. Während die Mediengesellschaft Weihnachten in Wort, Bild und Ton als Schlüsselereignis inszeniert, sollten sich die Kirchengemeinden den journalistischen Bedingungen der Realitätskonstruktion nicht verschließen. Aufgabe der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit ist es daher, die Veranstaltungsangebote in der Weihnachtszeit medial als kirchliches Ereignis zu kommunizieren. So könnten Journalisten aus der Region im Vorfeld der Weihnachtsgottesdienste zu einer Pressekonferenz eingeladen werden, in der die Gemeinde nicht nur über die Gottesdienste, karitative Aktionen, das Krippenspiel und die Weihnachtsmusik, sondern auch über das Profil der Kirchengemeinde und die Geschichte des Gotteshauses informiert.
  4. Gleichzeitig ist es wichtig, dem wachsenden Bedeutungsverlust von Weihnachten als Fest der Geburt Jesu mit journalistisch verwertbaren Informationen über den Ursprung des Festes und seinen theologischen Kern zu begegnen. Die Inkulturation des Christentums erfolgt also unter den Bedingungen der Mediengesellschaft durch das Mittel der Information über die religiöse Basisstory.
  5. Konterkulturell wird der sinnentleerten Eventfixierung, dem Lärm der Weihnachtsmärkte und Kaufhäuser allerdings mit der Entdeckung der Stille zu begegnen sein. Aufgabe der Kirchengemeinden könnte es daher sein, die Advents- und Weihnachtszeit als Ereignis der Stille zu feiern. Liturgisch will insbesondere die Stille Nacht am Heiligen Abend sorgsam bedacht sein.
  6. Denn die Stille der Heiligen Nacht verheißt den Menschen, zur Ruhe zu kommen. Im Denken der hermeneutischen Theologie ist die Stille der „eigentliche Raum der Sprache“[14], in der Gottes Liebe spricht. So sehr sich der Prediger und die Predigerin der Ereignisdimension des Festes in der Mediengesellschaft öffnen, so offen sollten sie dafür sein, dass Gott in der Stille der Heiligen Nacht handelt. Auf diese Weise kann der „Augenblick“ im Sinne einer präsentischen Eschatologie zum Kairos werden. Weihnachtlich predigten bedeutet also, vom inkarnationschristologisch ermöglichten und eschatologisch vollzogenen und sich vollziehenden Ereignis der Nähe Gottes zu predigen und daher vom Immanuel (Jes. 7,14). Eine Weihnachtspredigt, die nicht über das Ereignis Gottes, sondern in[15] diesem Ereignisgeschehen redet, ist potenziell selbst ein Ereignis.

Edgar S. Hasse (Jg. 1960) ist promovierter evangelischer Theologe und Redakteur der WELT-Gruppe in Hamburg. Er ist Lehrbeauftragter an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald und der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie in Hamburg. Weihnachten 2011 wird er, von der  Nordelbischen Kirche als Bordseelsorger entsandt, auf einem Kreuzfahrtschiff verbringen.

[1]  Vgl. Edgar S. Hasse: Weihnachten in der Presse. Komparative Analysen der journalistischen Wahrnehmung des Christfestes anhand der „Weihnachtsausgaben“ ausgewählter Tageszeitungen und Zeitschriften (1955-2005), Erlangen 2010.

[2]  Vgl. Kristian Fechtner: Im Rhythmus des Kirchenjahres. Vom Sinn der Feste und Zeiten, Gütersloh 2007, 55-56. Vgl. auch Harvey Cox: Das Fest der Narren. Das Gelächter ist der Hoffnung letzte Waffe, Stuttgart / Berlin 41972, 24: „Weihnachten ist weitgehend zu einem Familienfest geworden, Ostern zu einem Frühlingsereignis, und am Erntedankfest gibt es keinen mehr, dem man danken kann.“

[3]  Vgl. Jan Assmann: Der zweidimensionale Mensch: das Fest als Medium kollektiven Gedächtnisses, in: ders. / Theo Sundermeier (Hg.), Das Fest und das Heilige. Religiöse Kontrapunkte zur Alltagswelt, Gütersloh 1991.

[4]  Vgl. Michael Moxter: Erzählung und Ereignis. Über den Spielraum historischer Repräsentation, in Jens Schröter / Ralph Brucker, Der historische Jesus. Tendenzen und Perspektiven der gegenwärtigen Forschung (BZNW Bd. 114), Berlin / New York 2002, 75.

[5]  Vgl. Martin Seel: Ereignis. Eine kleine Phänomenologie, in: Nikolaus Müller-Schöll (Hg.), Ereignis. Eine fundamentale Kategorie der Zeiterfahrung. Anspruch und Aporien, Bielefeld 2003, 46.

[6]  Rudolf Bultmann: Glauben und Verstehen, Gesammelte Aufsätze, Bd. 4, Tübingen 41984 (11964), 139.

[7]  So auch Martin Nicol: Zwischen Ereignis und Wissenschaft. Über Schwierigkeit und Faszination der Praktischen Theologie, PTh 83 (1994), 69.

[8]  Der Begriff wird hier nicht systemtheoretisch gebraucht, sondern bezieht sich auf den quantitativ gewachsenen Medienkonsum. So verbringt jeder Deutsche zwischen 14 und 49 Jahren durchschnittlich acht Stunden pro Tag mit Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften und Internet. Vgl. Udo Hahn / Roland Rosenstock: Art. Medien, 5TRT 2 (2008), 765-769.

[9]  Vgl. zum Ereignisbegriff aus publizistikwissenschaftlicher Sicht Hans Mathias Kepplinger: Der Ereignisbegriff in der Publizistikwissenschaft, Publizistik 46 (2001), 116-139.

[10]  Vgl. Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien, Opladen 21996, 55.

[11]  Matthias Morgenroth: Weihnachts-Christentum. Moderner Religiosität auf der Spur, Gütersloh 2002, 214.

[12]  Vgl. Assmann, a.a. O., 13.

[13]  Vgl. dazu auch Holger Forssman: „Alle Menschen sind mir heute Kinder.“ Weihnachten als Fest der Schöpfung und der Erlösung, Erlangen 1998.

[14]  Ernst Fuchs: Marburger Hermeneutik, Tübingen 1968, 242.

[15]  Vgl. die Differenzierung von Martin Nicol: Einander ins Bild setzen. Dramaturgische Homiletik, Göttingen 22005, 55.