Archiv für den Monat: August 2011

„Queen Mary 2“ zum 20. Mal in Hamburg

Von Edgar S. Hasse

 

(Quelle: WELT-Beitrag, 13- August 2011)

Sie tauchte, wie im August 2006, plötzlich aus dem Morgennebel auf. Sie kam, wie im Juli 2005, in Begleitung von 400 Hafenbarkassen, Schiffen und Booten. Und sie lockt, wie heute Abend, wieder Tausende von Menschen an das Elbufer. Alle wollen sie sehen – die „Queen Mary 2“, die „Königin der Meere“. Denn sie ist „very british“ und so wohltuend anders als die weißen Urlaubsdampfer von der Werftstange. Zum 20. Mal, das lässt die britische Reederei Cunard die Fangemeinde des klassischen Ozeanliners wissen, weilt am 13. August das 345 Meter lange, 41 Meter breite und 72 Meter hohe Traumschiff in Hamburg – dem heimlichen Heimathafen.

Um dieses Jubiläum auf hanseatische Weise zu feiern, ist nach Reedereiangaben beim Auslaufen eine spontane Flaggenparade zum Mitmachen geplant. Die Parade beginnt gegen 18 Uhr am Hamburg Cruise Center und endet nach zehn Kilometern Strecke beim Hotel „Louis C. Jacob“ auf der feinen Lindenterrasse. „Für alle, die keine Fahnen besitzen, werden kostenlos Papierfahnen ausgegeben“, sagt Cunard-Sprecher Ingo Thiel. Zu haben sind die Gratisfahnen unter anderem im Alsterhaus und in der Europa-Passage.

„Wir erwarten am Elbufer etliche Tausend Besucher“, sagt Thiel. Das Schiff nimmt danach Kurs zur Transatlantik-Passage Richtung New York. Seit ihrem ersten Hamburg-Besuch im Juli 2004 mobilisiert die „QM 2“ viele Menschen. Beim ersten Anlauf zog sie 400 000 Besucher in ihren Bann, beim zweiten Mal im Jahr 2005 war es eine halbe Million. Selbst beim 17.Aufenthalt – und strahlendem Sonnenschein – waren es 130 000 sehlustige Gäste. Nirgendwo auf der Welt findet das drittlängste Kreuzfahrtschiff so viel öffentliche Aufmerksamkeit wie in der Hansestadt. Dass es in diesem Jahr mehr als 100 Anläufe von Kreuzfahrtschiffen gibt und Hamburg auf dem Weg zu einer respektablen Destination ist – dazu hat der britische Riese mit seiner Strahlkraft beigetragen.

Wenn die „Queen Mary 2“ im nächsten Jahr wiederkommt, steht dem Hafen das nächste Event in Haus. Dann geben sich am 15. Juli der Luxusliner und seine jüngere Schwester „Queen Elizabeth“ im Doppelpack die Ehre. Da kommen locker mehr als 600 Meter Schiff zusammen. Dem nicht genug: Am 18. Dezember 2012 startet die „Queen Victoria“ in Hamburg zu ihrer Weihnachtskreuzfahrt rund um die Kanaren. Spätestens dann haben alle drei Cunard-Liner ihren Heimathafen der Herzen gefunden.

Helgoland wird zum Offshore-Stützpunkt – 150 neue Jobs

 

Offshore-Windparks bringen Helgoland 150 neue Jobs

(Quelle: WELT, Nordausgabe, 6.8.2011)

Von Edgar S. Hasse

Hochseeinsel bekommt Betriebsbasis für Anlagen, die 25 bis 35 Kilometer entfernt entstehen – Zehn Schiffe sollen an neuer Mole im Südhafen stationiert werden

Windstärke 7 in Böen sagte der Deutsche Wetterdienst am Freitag für die Nordseeinsel Helgoland voraus. Für die Unternehmen RWE, E.on und WindMW eine gute Nachricht: Denn sie stellten auf dem Museumsschiff „Greundiek“ im Helgoländer Hafen die Pläne für den Bau von insgesamt drei Windparks vor, die von Herbst an rund 25 bis 35 Kilometer nordwestlich der Felseninsel entstehen. Sie werden künftig eine Million Haushalte mit erneuerbarer und umweltfreundlicher Energie versorgen. Helgoland soll für dieses Milliarden schwere Projekt die Betriebsbasis werden und der Hochseeinsel 150 neue Arbeitsplätze bringen.
 
„Damit arbeiten wir Helgoländer aktiv an der Energiewende mit“, freut sich Insel-Bürgermeister Jörg Singer, „und tragen so zur Zukunft der Insel bei“. Auf einer Fläche von rund 10 000 Quadratmetern werden im Südhafen drei Servicegebäude mit Werk- und Lagerhallen entstehen. Allerdings muss das Areal noch vom Kampfmittelräumdienst untersucht werden, denn bis zu einer Tiefe von vier Metern werden Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg und von Bombenabwürfen der britischen Armee vermutet.
RWE wird bereits im Oktober mit dem Bau seines Windparks beginnen und dafür etwa eine Milliarde Euro investieren. „Damit können wir rund 300 000 Haushalte versorgen, sagt Professor Martin Skiba, Leiter Offshore-Windkraft bei RWE-Innogy. „Das sind ungefähr neun Prozent des Energiebedarfs in Schleswig-Holstein.“ Die 48 RWE-Anlagen werden in einer Meerestiefe von 30 Metern gebaut. Die Rotorfläche eines solchen Windrades umfasst die Größe von zwei Fußballfeldern. Im Herbst 2012 beginnt E.on mit dem Bau seines Windparks; mit im Boot ist auch WindMW. Vollständig sollen die Anlagen im Frühjahr 2014 in Betrieb gehen.
 
Künftig werden auf Helgoland rund 150 Techniker, Ingenieure und weitere Experten für alle drei Projekte arbeiten und von der Insel aus die Anlage bauen und warten. WindMW wird sogar Appartements für die Arbeiter auf dem Oberland bauen. Zehn Schiffe sollen an der im Südhafen zu errichtenden Mole stationiert werden. „Das Beispiel Helgoland unterstreicht, dass die Offshore-Windenergie ein Motor der wirtschaftlichen Entwicklung für die Inseln im 21. Jahrhundert ist“, sagt Jörg Kuhbier, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Offshore-Windenergie.
 
Seit Jahren steckt Helgoland in einer Zukunftskrise. Erst vor wenigen Wochen hatten sich die Insulaner mehrheitlich gegen eine Sandaufspülung zwischen Düne und Felseninsel und damit gegen einen Vergrößerung der Insel ausgesprochen. Nach RWE-Angaben ist Helgoland mit der Errichtung eines Servicestützpunktes für Offshore-Windparks die erste Insel in der deutschen Nord- und Ostsee, die vom Ausbau der Windkraftanlagen auf dem Meer direkt profitieren wird. Zu den festen Arbeitsplätzen kämen noch zeitlich befristete bei Zulieferern, Bau- und Schifffahrtsfirmen. „Offshore kann ein Gewinn für die ganze Insel werden“, freut sich Helgolands Bürgermeister Jörg Singer. Er verwies auf die positiven Effekte für Hotels, Gastronomie, Einzelhandel und weitere Wirtschaftszweige. Auch könne durch die Ansiedlung der Offshore-Unternehmen die negative demografische Entwicklung gestoppt werden.
 
Helgolandprofitiert nicht zuletzt davon, dass die Windräder auf See wartungsintensiv sind. Eine besondere Rolle spielen die enormen Belastungen durch Wellen und Salzwasser, die den Aufwand deutlich erhöhen. Standardmäßig wird eine Windkraftanlage auf See etwa ein bis zwei Tage im Jahr gewartet. Interessierte Gäste und Helgoländer können sich bis Sonntag in der Zeit von zehn bis 18 Uhr auf dem traditionellen Museumsschiff „Greundiek“ aus erster Hand rund um das Thema „Faszination Offshore“ informieren.

Wie sicher sind unsere Lebensmittel? Antworten eines Lebensmittelchemikers

Hamburger School of Food Science will zum Anwalt der Verbraucher werden

Von Edgar S. Hasse
(Quelle: Welt am Sonntag, Nordausgabe, 31.8.2011 
 

Eine der aktuellen Erkenntnisse zum Thema Lebensmittelechtheit lautet: Es ist nicht alles Käse, was wie Käse aussieht. Schlimmer noch: Manchmal hat der Verbraucher nur ein Imitat im Essen. Vor zwei Jahren wurden Fälle von Verbrauchertäuschung mit Analog-Käse auf Pizzen und Lasagnen bekannt. Bei dem Belag handelt es sich um Kunstkäse, Käseersatz oder Käseimitat. Das Milchfett wird durch pflanzliche Produkte ersetzt. Tatsächlich aber erwecken Lebensmittel, die mit solchen Stoffen hergestellt wurden, beim Verbraucher den Eindruck von echtem Käse.
 
Verstöße wie diese sind eine Herausforderung für Professor Markus Fischer und sein Team. Der Wissenschaftler leitet das Institut für Lebensmittelchemie (Fachbereich Chemie) an der Universität Hamburg und kommt bei entsprechenden Aufträgen den schwarzen Schafen in der globalisierten Lebensmittelindustrie mit neuen analytischen Methoden auf die Spur.
 
Um Ausbildung und Forschung, aber auch Wissenstransfer in die Gesellschaft zu optimieren, hat Fischer jetzt die „Hamburg School of Food Science“ gegründet. Ziel ist es unter anderem, die Lebensmittelsicherheit ganzheitlich zu betrachten. „Das betrifft die gesamte Produktions- und Vertriebskette vom Erzeuger bis zum Verbraucher“, sagt der Wissenschaftler. „Also ‚from farm to fork‘. Darüber hinaus werden wir wissenschaftlich fundierte Öffentlichkeitsarbeit betreiben, so dass die Verbraucher optimal aufgeklärt werden“, sagt er.
 
Markus Fischer  sitzt in seinem Büro in der Grindelallee, an einem Haken an der Wand hängt ein schneeweißer Kittel für die Arbeit im Labor. Auf der anderen Seite des Flures sind Institutsangehörige hinter verschlossenen Türen mit chemischen Analysen beschäftigt. Es gibt viel zu tun in dem neuen Institut, denn das Bewusstsein für Lebensmittelsicherheit ist in der Gesellschaft kontinuierlich gewachsen.
Seit Jahren fühlen sich die Verbraucher immer neuen Lebensmittelskandalen ausgesetzt. Die Unsicherheit steigt. So wurden im Mai 2010 die Dioxin-Grenzwerte bei Bio-Eiern überschritten. Ebenfalls im vergangenen Jahr lösten Listerien-Infektionen durch Rohmilchkäse erhebliche Verbraucherängste aus. Nach Informationen des Robert-Koch-Instituts verlief die Krankheit bei rund 30 Prozent der Erwachsenen tödlich.
 
Auch in den Jahren zuvor hatte es reichlich Skandale gegeben: Gammelfleisch, Frostschutzmittel im Wein oder krebserregende Stoffe in Paprikapulver. Von chinesischen Babynahrungsherstellern wurde gar Milchpulver mit Melamin versetzt und dadurch ein erhöhter Eiweißgehalt vorgetäuscht. „Ein kriminelles Vorgehen mit erheblichen gesundheitsgefährdenden Folgen“, sagt <<Fischer>>.
 
Bei seinen öffentlichen Vorträgen wird der Wissenschaftler häufig von den Zuhörern gefragt, was sie denn in Zeiten zunehmender Nahrungsmittelskandale überhaupt noch essen können. Im Blick auf Deutschland verweist Fischer bei solchen Fragen auf die „sehr gute Lebensmittelüberwachung“ und die „sehr gute Gesetzgebung“. Und auf die heimischen Supermärkte. „Die Produkte dort werden durchweg von Markenherstellern und Eigenmarken großer Lebensmittelketten dominiert. Und die haben alle ein großes Interesse an sicheren Lebensmitteln.“ Seine Einschätzung: „Skandale kann sich keines der Unternehmen leisten.“ Eine Herausforderung für die Kontrolle ist seiner Ansicht nach allerdings die Globalisierung der Ernährung. Die EHEC-verunreinigten Bockshornkleesamen aus Ägypten und die schweren Nierenerkrankungen als schlimmste Folge sind nur ein Beispiel dafür, welches Ausmaß der internationale Warentransfer inzwischen hat. Wichtig sei es deshalb, dass die europäischen Qualitätsstandards auch in den anderen Erzeugerländern Geltung erlangen. „Außerdem sind die Herkunftsnachweise der Produkte notwendig.“
 
Wie weit die Forschung am Institut fortgeschritten ist, macht Fischer mit den erfolgreich erprobten Methoden zur Bestimmung von Weizenanteilen in Dinkelprodukten deutlich. Nach den Leitsätzen für Brot und Kleingebäck dürfen Dinkelbrote und -brötchen maximal zehn Prozent andere Getreidearten enthalten. Doch in einigen Produkten wird dieser Anteil überschritten. Grund dafür kann eine unbeabsichtigte Vermischung bei der Verarbeitung, aber auch eine absichtliche Streckung aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Erhöhung der Backfähigkeit sein.
 
„Wir haben nun quantitative Methoden entwickelt, um den Weizenanteil in Dinkelprodukten auf DNA-Basis zu bestimmen.“ Damit ist es möglich geworden, die Verbraucher vor Täuschung zu schützen. Und den Mühlen und der Backindustrie Möglichkeiten zu geben, die Qualität ihrer Rohstoffe zu überprüfen. Ähnliche Herausforderungen stellen sich bei Produkten aus Kakao. Auch hier wurden molekularbiologische Methoden entwickelt, um die Qualität zu sichern.
 
Damit die Verbraucher vor dem Verzehr ihrer Nahrung umfassend informiert werden, plädiert Fischer für die genaue Kennzeichnung der Lebensmittel. Er könne zwar die Motivation von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner verstehen, Lebensmittel auf der Grundlage einer dreifarbigen Ampel zu kennzeichnen. „Doch das bringt zu viel Vereinfachung mit sich. Als Wissenschaftler halte ich Zahlenwerte für notwendig – und damit genaue Nährwertangaben.“
 
Seine persönlichen Ernährungsgewohnheiten musste der Lebensmittelchemiker angesichts der Skandale nicht ändern. Seit Jahren isst er viel Gemüse und Obst, wenig Wurst, wenig Fleisch, keine Innereien. Und am liebsten greift er auf regionale Produkte zurück. Das passt: Ernährungsexperten raten genau dazu.