Archiv für den Monat: September 2011

100 Jahre Alter Elbtunnel – Ein Meisterwerk der Ingenieurbaukunst

Quelle: Mein  Beitrag in WELT-Online und WELT-kompakt, 8.09.11
 
 
Edgar S. Hasse
Hamburg
Der Hamburger Elbtunnel hat manchmal ein Imageproblem. Häufig staut sich der Verkehr auf der A.7 kilometerlang – die Romantik der Tunnelpassage löst sich damit im Dunst der Abgase auf.
Ganz anders das Fahrgefühl im Alten Elbtunnel – jenem Bauwerk mitten im Herzen der Stadt, das am Mittwoch genau 100 Jahre alt wurde. Uniformierte Tunnelaufseher lotsen noch heute die Fahrzeuge in einen Lift, der die Insassen zwölf Meter unter die Elbe hievt. Auf schmaler Straße – so breit, dass einst eine Pferdekutsche Platz haben sollte – geht es dann im schummerigen Licht 426 Meter lang von St. Pauli auf die andere Seite nach Steinwerder.
Auf einem schmalen Bürgersteig passieren derweil Fußgänger die Röhre, vorbei an 400.000 schmucken Keramikkacheln. Sie zeigen Aale und Hummer, Störe und anderes Getier, das einst im Elbstrom schwamm. Wer also den Alten Elbtunnel besucht, steigt nicht nur in eine Epoche der Technikgeschichte herab. Der erlebt eine faszinierende, ästhetische Zeitreise in gedämpfter Atmosphäre, wo der Weg das Ziel sein kann. Stundenlange Staus? Ausfall der Höhenkontrolle? Nicht hier, nicht im Alten Elbtunnel, dem gefeierten Meisterwerk deutscher Ingenieurbaukunst. Dort, wo es keine Rampen gibt, sondern Aufzüge Autos, Fahrräder und Menschen in rund 30 Sekunden hinauf und hinab befördern.
Schon vor der feierlichen Eröffnung am 7. September 1911 mit 60.000 Tunnelgängern riefen die heimischen Blätter ihren Lesern – wie die „Neue Hamburger Zeitung“ – angesichts der technischen und architektonischen Sensation ein „bewunderndes Aah!“ zu. „Trockenen Fußes kann man tief unter dem Kiel der aufkommenden und seegehenden Schiffe von einem Ufer der Elbe zum anderen schreiten“, schrieb der „Hamburgische Correspondent“. Und Bauleiter Otto Stockhausen freute sich über eine „lebendige Anschauung, wie die moderne Technik zu Lande, auf dem Wasser und unter dem Wasser die an sie herantretenden Aufgaben zu lösen imstande ist“. Stockhausen war beim Start der Bauarbeiten im Jahr 1907 übrigens gerade mal 26 Jahre alt.
Zur Jahrhundertwende platzte der Hamburger Hafen aus allen Nähten. Vor allem auf der südlichen Elbseite boomte die Wirtschaft. Doch der Arbeitsweg von vielen der insgesamt 45.000 Werft- und Hafenarbeiter erwies sich als unkalkulierbar, wenn sie auf die Hafenfähren angewiesen waren. Denn in den Wintermonaten kam es häufig zu Ausfällen und Verspätungen bei Nebel, Sturmfluten und Eisgang. Daher richteten die Inhaber von Werften und „industriellen Etablissements“ bereits im Jahr 1891 eine Eingabe an den Hamburger Senat mit der Aufforderung, das Problem zu lösen.
Wie der Hamburger Autor und Elbtunnel-Experte Sven Bardua in seiner neuen, von der Bundesingenieurkammer herausgegebenen Publikation „Der Alte Elbtunnel Hamburg“ schreibt, gab es zunächst Erwägungen, eine Hochbrücke oder eine Schwebefähre über die Elbe zu bauen. Doch die Senatoren entschieden sich – auch aus Kostengründen – für den Bau eines Tunnels. Etwas mehr als zehn Millionen Goldmark sollte das Bauprojekt kosten – eine Zielmarke, die am Ende kaum überschritten wurde.
Dennoch war die Untertunnelung der Elbe ein technisches Wagnis ersten Ranges, denn als Vorbilder gab es allenfalls die Querungen unter der Themse in London und der Clyde im schottischen Glasgow. An der Elbe wurde nun rund 24 Meter tief unter der Erde Schritt für Schritt der Weg frei gemacht für zwei jeweils sechs Meter breite Röhren. Rund 4400 Arbeiter und Beamte befanden sich im Dauereinsatz. Fünf Arbeiter kamen dabei ums Leben, drei von ihnen starben an der damals nur wenig erforschten Druckluftkrankheit. Überdruck war aber notwendig, um Wasser und Sand bei den Tunnelarbeiten fern zu halten. Nach Protesten von Arbeitern wurde eigens ein „Presseluftarzt“ eingestellt, der sich um die insgesamt 700 an der Druckluftkrankheit leidenden Patienten zu kümmerte. Die Betroffenen hatten akute Schmerzen im Brustkorb und starke Atemnot. Nach vierjähriger Bauzeit konnte der Tunnel an den St. Pauli-Landungsbrücken seiner Bestimmung übergeben werden. Allein im Jahr 1912 frequentierten ihn 11,2 Millionen Fußgänger und 66 .000 Fahrzeuge.
Auch heute noch wird das unter Denkmalschutz stehende Bauwerk von Werftarbeitern genauso genutzt wie von Touristen. Im vergangenen Jahr zählte die Hamburg Port Authority 320.00 Fahrzeuge, 790.000 Fußgänger und 105.000 Radfahrer. Alljährlich treten unter der Elbe Hunderte von Marathonläufern zum Wettkampf an. Sogar Filmemacher nutzen den Alten Elbtunnel zur Kulisse. „Schon 1977 hat Wim Wenders den Film ‚Der amerikanische Freund’ gedreht. Da ist Dennis Hopper durch den Tunnel gefahren“, sagt Alexandra Luetkens von der Film Commission der Filmförderung Hamburg und Schleswig-Holstein. „Wir machen gerne Werbung mit dem Alten Elbtunnel.“ So präsentierte jüngst ein Gabelstaplerhersteller in den beiden Röhren seine Produkte.
Seit Mittwoch darf sich das 100 Jahre alte Bauwerk mit der runden Kuppel nun offiziell „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ nennen. Mit diesem Titel, von der Bundesingenieurkammer verliehen, wurden bisher unter anderem der Flughafen Berlin-Tempelhof, der Stuttgarter Fernsehturm und das Schiffshebewerk Niederfinow ausgezeichnet. „Der Alte Elbtunnel präsentiert sich heute bestens erhalten und herausgeputzt“, schwärmte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bei der Geburtstagsfeier. In den nächsten Tagen feiern die Hanseaten mit Ausstellungen, Führungen, einer Oldtimerparade und Kutschfahrten das Jubiläum ihres maritimen Wahrzeichens, das auch noch in 100 Jahren Bestand haben dürfte.
 
 
 
 

Hans Apel gestorben – „Ein urhamburger Gewächs und guter Christ“

DPA, 7. 09. 11:

Der frühere Bundesverteidigungsminister Hans Apel (SPD) ist tot. Dies teilte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch im Bundestag mit. Apel starb im Alter von 79 Jahren in Hamburg. Er war von 1978 bis 1982 Verteidigungsminister unter Kanzler Helmut Schmidt, von 1974 bis 1978 amtierte er als Finanzminister.

1990 schied der SPD-Politiker nach 25 Jahren aus dem Bundestag aus.

Apels Ehefrau Ingrid sagte „Spiegel online“, ihr Mann sei nach zweijähriger Krankheit am Dienstagmorgen in einer Hamburger Klinik im Kreis seiner Familie verschieden. „Es war ein friedlicher Moment, er ist einfach eingeschlafen“, sagte Ingrid Apel.

Apel geriet als Verteidigungsminister in die innerparteiliche Schusslinie, als er den Nachrüstungsbeschluss der NATO Anfang der 80er Jahre verteidigte. Mit dem Ende der sozialliberalen Koalition 1982 endete auch seine Minister-Amtszeit. Zeitweise wurde er sogar als „Kronprinz“ von Helmut Schmidt gehandelt. 1985 trat Apel als Berliner SPD-Spitzenkandidat an, unterlag aber gegen Eberhard Diepgen (CDU).

Apel war ein engagierter lutherischer Christ und zuletzt Mitglied der Selbstständigen Evangelisch Lutherischen Kirche. Die Nordelbische Kirche hatte er verlassen. Hans-Peter Strenge, der Präsident der Nordelbischen Synode, würdigte ihn gegenüber der Zeitung „Die Welt“ als „urhamburger Gewächs und guten Christen“.

Lesen Sie auch meine Rezension seiner Autobiografie (Quelle: WELT, 6.09.10)

Von Edgar S. Hasse

Als der damalige Bundesfinanzminister Hans Apel  (SPD) 1975 von einer Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in den USA nach Deutschland zurückkehrte, überraschte ihn ARD-Moderator Friedrich Nowottny mit einem für den Politiker völlig unerwarteten Thema. Weil die Kommunikation über den Großen Teich noch nicht so reibungslos funktionierte, antwortete der ahnungslose Apel auf die Frage nach dem durch die Steuerreform plötzlich aufgetauchten Haushaltsloch: „Ich glaub, mich tritt ein Pferd.“

Auf dieses Zitat wurde der Hamburger SPD-Politiker danach immer wieder spöttelnd angesprochen, sodass er jetzt in seinen Lebenserinnerungen mit einem Anflug von Ironie schreibt: „Wenn ich ein Motto für meinen Grabstein suchte, sollte ich diesen Spruch wählen.“
Gemeinsam mit seiner Frau Ingrid, die er seit seiner Jugendzeit kennt, hat Apel  „unser Gedächtnis“ und die Tagebücher durchforstet, um Anekdoten in Erinnerung zu rufen, Erfahrungen aufzuschreiben und eigene Fehler selbstkritisch zu beleuchten. Entstanden ist unter dem Titel “ Hans, mach du das“ eine sehr persönliche Rückschau, aber auch ein zeitgeschichtliches Dokument, das vom Hamburger Feuersturm 1943 bis zur Deutschen Einheit führt.
Im Kontext seiner Biografie – 1932 in Hamburg geboren, in einer Barmbeker Zweizimmerwohnung aufgewachsen, 1974 bis 1978 Bundesfinanzminister und von 1978 bis 1982 Verteidigungsminister – führt Apel seine Leser durch die Zeitläufte. Dabei profitieren sie von seinen Fortschritten an Weisheit und Erkenntnis. Insbesondere das erste Kapitel „Alt werden“ und der letzte Abschnitt „Mein Glaube wächst“ markieren eine subtile innere Auseinandersetzung mit dem Sinn des Lebens, dem Christentum und einer Landeskirche, die Apel wegen der offiziell genehmigten kirchlichen Segnung gleichgeschlechtlicher Paare 1999 verlassen hatte. Seitdem gehört das Ehepaar der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) an.
Ebenso gern wie unterhaltsam erzählt Apel auch die Geschichte seiner ersten Rede im Bundestag. Im Januar 1966 forderte ihn Herbert Wehner auf, über die Europapolitik zu sprechen: „In dieser Debatte muss der Genosse  Apel  reden. Er muss entjungfert werden.“ Apel, mit Lampenfieber vor der Premiere, lernte seine Rede – was keiner ahnte – komplett auswendig. Und brillierte. Prompt lobte ihn der damalige Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier mit den Worten: „Das ist das Idealbild für dieses Haus.“
Am Ende seiner Erinnerungen steht die Erkenntnis, dass Neugierde, Standvermögen und Dankbarkeit wichtig für ein gelingendes Leben sind. Leitend sollte auch diese Einsicht sein: „Wer aufsteigen will, muss wissen, dass sein Abstieg unvermeidlich kommt. Es sei denn, er segnet vorher das Zeitliche.“

Hans Apel: „Hans, mach du das! Lebenserinnerungen“, Brunnen Verlag Gießen und Basel 2010, 195 Seiten, 14,95 Euro .