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Weihnachten feiern die Menschen sich selbst

Edgar S. Hasse, „Welt“-Redakteur, Theologe und Kreuzfahrtseelsorger

Mein Beitrag in der WELT, Hamburg-Ausgabe, 12.12.2011 

http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13762822/Weihnachten-feiern-die-Menschen-sich-selbst.html

Alle Jahre wieder haben die Kirchenleute ihre liebe Not mit dem Weihnachtfest. Wer sonst das ganze Jahr nicht in die Gottesdienste und Messen kommt, taucht am Heiligen Abend plötzlich wieder auf: Die „Weihnachtschristen“ sind da. Sie wollen die alten Weihnachtslieder singen, ein schönes Krippenspiel sehen und fröhlich eingestimmt werden auf das, was danach folgt: die Bescherung unterm heimischen Tannenbaum. Viele Geistliche in beiden Konfessionen betrachten jedoch die religiöse Anspruchsmentalität mit Skepsis und Argwohn. Ihnen bereitet es zwar keine Probleme, am Karfreitag über den Kreuzestod Jesu zu predigen und Ostern über die Auferstehung.

Aber Weihnachten? Immer diese religiöse Rührseligkeit bei den Weihnachtschristen! Immer dieser Anspruch auf eine heile Welt am Heiligen Abend! Und vor allem: immer diese erwartungsfrohe Festfreude bei den „U-Boot“-Christen, die nur einmal im Jahr schemenhaft in der Kirche auftauchen. Am liebsten, stöhnte letzte Woche ein Hamburger Pastor, würde er Weihnachten abschaffen, zumindest den ganzen Rummel drum herum. Ich finde, dazu besteht weder Grund noch theologische Legitimation. Gerade an Weihnachten sollten die Kirchen das religiöse, sentimentale Gestimmtsein der Menschen ernst nehmen und ihnen die Freude über das Fest nicht mit moralinsauren Reden vermiesen. Weihnachten – mit dem Geburtsmotiv im Kern der christlichen Überlieferung – verzaubert und berührt die Menschen. Es macht sie meistens kreativ, wenn es darum geht, einander etwas zu schenken.

Es vereint die Familien unter dem Christbaum und beim gemeinsamen Essen. Es hält die sozialen Kontakte im Verbund der Generationen frisch und lebendig. Vorausgesetzt, die Geschenke entpuppen sich nicht als kleine Kampfansagen an ihre Empfänger. Und es mobilisiert die Menschen dazu, Krippen in ihren Weihnachtszimmern aufzustellen, christliche Lieder zu Hause zu singen und die Kirchen zu besuchen. Mancher Geistliche müht sich das ganze Jahr über redlich ab, um Jesus Christus zu verkündigen. Doch viel mehr als es jeder Pastor und jede missionarische Veranstaltung vermag, hält das Christfest mit seinen Inszenierungen, Ritualen, Symbolen und mit seiner Musik die Botschaft von der Geburt des Erlösers im Volk am Laufen: Selbst wenn es auf dem Rathausmarkt aus der Kehle von Mariah Carey klingt „Jesus born on this day“ erreicht diese Botschaft mehr Menschen als ein Adventsgottesdienst in Wandsbek. Man muss eben nur genau hinhören!

 Schon Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, der protestantische „Kirchenvater“ des 19. Jahrhunderts, vertrat in seiner Gesprächsnovelle „Die Weihnachtsfeier“, 1806 erschienen, die Auffassung, das Andenken an Jesus Christus werde in größerem Umfang durch das Fest erhalten als durch die Heilige Schrift – „nämlich gerade unter dem Volke“. Wenn das Fest eine solche Verkündigungs- und Erinnerungsfunktion besitzt, dürfte es schwer fallen, die schillernde und auf dem ersten Blick lediglich profane Festkultur kleinzureden. Wer als Religionssoziologe auf der Suche nach der „unsichtbaren Religion“ (Thomas Luckmann) ist, findet sie in der weihnachtlichen Musik auf den glühweinseligen Weihnachtsmärkten der Stadt oder – als ethische Konsequenz – in den vielen Wohltätigkeitsaktionen vor dem Fest.

Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass die Geistlichen den Weihnachtschristen und anderen Zeitgenossen ihre Feierlaune nicht verderben sollten: Gott hat mit seiner Menschwerdung im Kind von Bethlehem „Ja“ zu uns Menschenkindern gesagt. Mehr noch: Göttliches und menschliches Prinzip vereinen einander; der Mensch erfährt, bis in seinen Kern, Gottes Nähe. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Im kollektiven Bewusststein verankert, wollen die Menschen und ihre Familien an diesem Tag sich selbst feiern – den Alltag unterbrechen und das Leben mit allen Sinnen genießen. Es ist das gute Recht und die Pflicht der Kirchen, der billigen Profanisierung und Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes mit einem Gegenprogramm der Stille, Kontemplation und religiösen Basisinformation über den wahren Kern von Weihnachten zu begegnen. Die helle, häufig diffuse Festfreude der Menschen an diesem Tag aber zu bagatellisieren gleicht einem theologischen Sündenfall.

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