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Kirsten Fehrs als Bischöfin eingeführt – Festgottesdienst in Lübeck

Quelle: DIE WELT, 28.11.2011, Hamburg-Ausgabe

Edgar S. Hasse

 Mit Spannung und Freude hatte Kirsten Fehrs auf diesen Augenblick gewartet. Sie wusste, dass sie im Altarraum des Lübecker Doms niederknien würde, um den Segen Gottes zu empfangen. Dass Bischof Gerhard Ulrich und andere Geistliche ihr die Hände auf das Haupt legen würden, um sie mit einem Wort aus der Bibel zu segnen. Sie wusste, dass Hunderte Gemeindeglieder dabei sein würden, Gäste aus Ökumene, Politik und Gesellschaft. Und Mitglieder aus ihrer Familie, ihr Mann, selbst Pastor, und ihre betagte Mutter. „Ich bin bewegt und aufgeregt“, sagte die 50-Jährige kurz vor der feierlichen Zeremonie. Es sei ein „dichter Moment“, den Segen Gottes zu empfangen. So geschah es denn auch bei der feierlichen Amtseinführung am vergangenen Sonnabend. Seitdem ist die frühere Hauptpastorin von St. Jacobi und Pröpstin aus dem Kirchenkreis Hamburg Ost – dem größten in ganz Deutschland – offiziell evangelische Bischöfin des Sprengels Hamburg und Lübeck/Lauenburg. Damit steht die Theologin aus Dithmarschen als Nachfolgerin von Maria Jepsen, die im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit den sexuellen Missbrauchsfällen in Ahrensburg zurückgetreten war, an der Spitze von 900000 Christen und 541 Pastorinnen und Pastoren.

Der Lübecker Dom war mit 1200 Gästen bis auf den letzten Platz gefüllt. Sorgfältig hatte die Domgemeinde das geistliche Ereignis vorbereitet – auch mit ein wenig Genugtuung darüber, dass dieser Festgottesdienst in Lübeck und nicht in Hamburg stattfand. Schließlich hat die altehrwürdige Hansestadt wegen der nordelbischen Strukturreform keinen eigenen Bischof mehr. Mit der Wahl des Ortes wollte die neue Amtsinhaberin jedoch ein programmatisches Zeichen der Verbundenheit setzen. Ein weiteres Zeichen hing im Lübecker Dom von der Kirchendecke auf die darunter versammelten Gläubigen herab: ein großer, grüner Adventskranz. Selbstverständlich konnte der am Vorabend des ersten Advent noch nicht entzündet werden. So aber wurde er zum symbolischen Ausdruck der christlichen Hoffnung auf das nahe Kommen Gottes.

Am Sonnabend kam vorerst Kirsten Fehrs. Erstmals das bischöfliche Kreuz tragend, stieg sie erhabenen Schrittes die Stufen der Kanzel empor, knipste das Licht an. Und lächelte. Während TV-Kameras ihre mit Spannung erwartete Predigt filmten, setzte sie die ersten Akzente für ihre Amtszeit, die immer zehn Jahre lang dauern soll: Gegen Intoleranz sei eine „Ökumene der Dialogkultur zu leben – mit Muslimen, Juden, Buddhisten und untereinander als Christen aller Couleur“. Sie rief dazu auf, der wieder aufkommenden Fremdenfeindlichkeit mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis entgegenzutreten. Sie sicherte den Opfern sexualisierter Gewalt in der Kirche weitere Aufarbeitung zu. Und sie schlug vor dem Hintergrund der Euro-Krise ein biblisches Gnadenjahr vor: „Da zahlt der zurück, der gnadenlos zugelangt hat. Da wird entschuldet und verziehen.“ Die Vision des Gnadenjahres sei höchst modern – „eine Occupy-Bewegung biblischer Zeit“. Im Chorraum des Doms überbrachten wenig später prominente Gäste ihre Glückwünsche. Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) sagte, er sei gespannt auf die Impulse für die soziale Stadtentwicklung sowie das kulturelle und interkulturelle Zusammenleben der Menschen. Schleswig-Holsteins Bildungs- und Kultusminister Ekkehard Klug (FDP) freute sich auf die Fortsetzung der guten Partnerschaft zwischen Land und Kirche. Und Erzbischof Werner Thissen sagte: „Ich wünschte mir sehr, dass Sie den Wind Gottes auch im gemeinsamen ökumenischen Wirken erfahren werden.“ Wie die neue Bischöfin sagte, gehören zu ihren nächsten Aufgaben unter anderem die Vorbereitung des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2013 in Hamburg und Lübeck, die Gründung der Nordkirche 2012 sowie die Unterstützung eines gesellschaftlichen Bündnisses gegen rechts.

 

Das nordelbische Bischofskollegium wird nun wieder aus drei Geistlichen bestehen: Neben Kirsten Fehrs gehören dem Gremium Bischof Gerhard Ulrich als Vorsitzender der Kirchenleitung und Gothart Magaard als Bischofsbevollmächtigter in Schleswig an. Innerhalb der nordelbischen Kirchenleitung wird Bischöfin Fehrs für die Bereiche Medien und Öffentlichkeit, Erwachsenenbildung, Seelsorge sowie Genderfragen verantwortlich sein. Die räumliche Struktur von Sprengel und Landeskirche verlangt auch von ihr hohe Mobilität. So hat nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes ihr Mitarbeiterstab ausgerechnet, dass sie künftig knapp 30 Stunden pro Woche im Auto unterwegs sein werde. Fehrs wolle den Wagen als „rollendes Arbeitszimmer“ nutzen.