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Historischer Tag: Grünes Licht für die Nordkirche

 

 

Von Edgar S. Hasse

(Quelle: WELT Hamburg, 9.Januar 2012), http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13805019/Die-Geburt-einer-neuen-Landeskirche.html

 Die Passagiere der Ostseefähren „Prins Joachim“ und „Huckleberry Finn“ ahnten beim Anlaufen des Warnemünder Hafens kaum, dass sich hinter den Kulissen einer Hotelanlage am Hafenrand etwas Historisches ereignete. Mit Meerblick und bei regem Schiffsverkehr sorgten am Sonnabend gegen 13.12 Uhr 255 evangelische Kirchenparlamentarier für einen Stapellauf der besonderen Art: Sie votierten mit einer deutlichen Mehrheit von 227 „Ja“-Stimmen nach dritter und entscheidender Lesung für die Fusion von drei evangelischen Landeskirchen. Die Gründung der „Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland“ mit ihren dann 2,3 Millionen Mitgliedern soll am Pfingstsonntag (27. Mai) offiziell besiegelt werden. Damit verlieren die nordelbische, mecklenburgische und pommersche Landeskirche endgültig ihre Existenz.

Minutenlanger Beifall brandete auf, nachdem der Präses der Verfassungsgebenden Synode, Heiner Möhring, die einzelnen Ergebnisse mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit verkündet hatte. Es dauerte noch eine Weile, bis Bischof Gerhard Ulrich (Kiel), Vorsitzender der Gemeinsamen Kirchenleitung, ans Rednerpult trat und dabei die Synodengemeinde unter den Kronleuchtern des Konferenzzentrums „Großer Gott wir loben dich“ schmetterten.

Zunächst nämlich gab es überall im Saal Glückwünsche, Umarmungen und aufmunternde Worte, bis Ulrich auf dem Podium sagte: „Dies ist nicht das Ende eines Weges, sondern der Beginn der gemeinsamen Wanderschaft.“ Die Fusion habe Bedeutung für den gesamten Protestantismus in Deutschland. „Die Vielfalt der Formen ist nicht seine Schwäche, sondern seine Stärke.“ Den Kritikern des Fusionsprozesses zollte er Verständnis und Respekt. Und versprach: „Wir werden alles für tun, um sie mit ihren Bedenken mitzunehmen.“

Auch die beiden anderen Bischöfe äußerten sich erleichtert. Der Schweriner Landesbischof Andreas von Maltzahn zeigte sich „dankbar für die klare Entscheidung“. Und der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit meinte, die pommersche Kirche habe nun die „bestmögliche Kirchengestalt gefunden“. Vor allem die prekäre Finanzlage der kleinen pommerschen Kirche gilt als Auslöser für die ersten Sondierungen vor acht Jahren.

Auch Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, begrüßte in einer Erklärung den endgültigen Beschluss. Nun entstehe „die erste Gliedkirche der EKD, die große ost- und westdeutsche Gebiete in einer Kirchenstruktur vereint“, betonte der Geistliche.

Kirsten Fehrs, Hamburger und Lübecker Bischöfin, sagte der „Welt“: „Ich gehe mit großem Interesse auf die neue Kirchengestalt zu.“ Die Debattenkultur mit dem kontroversen und profunden Abwägen der Argumente vor der Entscheidung habe sie besonders begeistert. „Das war wie das Finale einer Oper.“ Impulse erwartet die Bischöfin beim gegenseitigen Erfahrungsaustausch angesichts wachsender Säkularisierung. So sind im Sprengel Mecklenburg nur noch 18, in Pommern 19 Prozent der Bevölkerung evangelisch, während in Schleswig-Holstein rund 60 Prozent der Einwohner der evangelischen Kirche angehören. In Hamburg sind es 41 Prozent.

So eindeutig die Warnemünde Fusionsentscheidung ausfiel, so kontrovers diskutierten die Kirchenparlamentarier noch bis kurz vor Mitternacht den so genannten Überleitungsbeschluss für die Bischöfe in Greifswald, Schwerin, Hamburg/Lübeck sowie Schleswig/Holstein. Hintergrund dafür waren offenbar Vorbehalte der Pommern gegen die Dauer der Amtszeit des Greifswalder Bischofs Abromeit. Doch schließlich wurde ein zeitlich befristeter Kompromissverschlag gefunden.

Noch nicht entschieden ist aber, wer künftig als Landesbischof bzw. Landesbischöfin die Nordkirche führt, die von Usedom bis nach Helgoland reicht. Bis zum Herbst nächsten Jahres soll darüber entschieden sein. Das Kirchenparlament der neuen Nordkirche wird sich im November 2012 auf seiner ersten Sitzung in Lübeck-Travemünde konstituieren. Dem Gremium werden künftig 156 Mitglieder angehören, die paritätisch aus allen 13 Kirchenkreisen stammen.

Für das offizielle Gründungsfest zu Pfingsten im schleswig-holsteinischen Ratzeburg unter dem Motto „Wir setzen Segel“ planen die Organisatoren einen Gottesdienst im Dom. Die ARD wird dieses Ereignis live übertragen. Im Anschluss daran sei ein Fest der Begegnung mit Vertretern aus den 13 Kirchenkreisen nd den insgesamt 1067 Gemeinden vorgesehen. Bundesweit wird die vereinigte Küstenkirche in den Blickpunkt rücken, wenn im Mai 2013 in Hamburg der Deutsche Evangelische Kirchentag stattfindet.