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Warum wir das Meer so lieben

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Auf der Hängematte das Mittelmeer erleben: Mein Schiff 1 vor der Kulisse Palma de Mallorcas, Foto: E. Hasse

Von Edgar S. Hasse

Quelle: Mein Beitrag im Hamburger Abendblatt, http://www.abendblatt.de/region/article117146812/Nord-und-Ostsee-Mehr-als-nur-Meer.html

Aus der Ferne dringt sanft ein Rauschen. Hinter dem Deich muss es sein, das Meer mit seinem Versprechen von Freiheit und Ferienfreude. Schnell die Stufen hoch, und schon ist sie da: die Ostsee, tiefblau bis zum Horizont. Mit 17 Grad in der Brandung, wie jetzt in Dahme (Schleswig-Holstein).

Mit dem Start der Sommerferien fahren Millionen Deutsche wieder an Nord- und Ostsee. An 1200 Kilometern Festküstenlinie warten Strandkörbe, Pensionen und Hotelburgen auf badelustige und sonnenhungrige Gäste. Allein im Juli reisen voraussichtlich 860.000 Urlauber nach Schleswig-Holstein, eine Million nach Mecklenburg-Vorpommern und 1,4 Millionen nach Niedersachsen. Die meisten zieht es ans Wasser. Jeder zweite Deutsche wünscht sich in den großen Ferien einen „Bade-, Sonnen- und Ausruhurlaub“, hat der ADAC-Reisemonitor 2013 herausgefunden. Immerhin 37,1 Prozent der Befragten planen ihren Sommerurlaub in Deutschland. Wandern? Muss nicht sein. Das wollen nur zwölf Prozent.

Stärker noch als Berge und andere Landschaften übt das Meer seine Faszination aus. Millionen Urlauber können nicht irren: Ferien am und auf dem Wasser garantieren Entspannung, Freizeitspaß und sportliche Abenteuer. Von Kite-Surfen bis Segeln und lautstarken Jetski-Fahrten bietet das Meer ambitionierten Urlaubern ein Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten.

Doch das Meer lädt nicht nur zum Baden ein. Es eröffnet zu jeder Jahreszeit neue Horizonte, es heilt, macht den Kopf frei, spricht alle Sinne an: Wie es duftet und funkelt. Wie es nach Salz schmeckt, wie das leise Rauschen der Wellen in den Schlaf wiegt. Und es macht Spaß, in die Fluten zu springen. Das Meer berührt Körper und Seele.

In der ewigen Monotonie von Ebbe und Flut, von Stille und Sturm, ist das Meer eine Metapher für das Leben selbst: Ständig ändert sich alles im Spiel von Wind, Wellen und Wolken und im Glanz von Sonne und Mond. Zwar gleicht kein Augenblick dem anderen. Aber eigentlich ändert sich gar nichts seit Millionen von Jahren. „So war es immer schon“, dichtete Theodor Storm (1817-1888), der Schriftsteller aus Husum, der „Grauen Stadt am Meer“, in „Meeresstrand“.

Mit Worten und Farben versuchen Künstler, das Faszinosum des Meeres zu ergründen und seine Schönheit auszudrücken. Die Kieler Künstler Ute und Jens Jacobsen haben ihre maritime Leidenschaft zur Profession gemacht: Sie leiten Urlauber an, das Meer direkt am Meer zu malen. Rund 1500 „Meeresmaler“ sind durch ihre Schule gegangen. „Aus dem Spiel von Wasser, Himmel, Wind, Sonne und Strand werden Menschen in eine kreative Schwingung versetzt, die einzigartige Bilder vom Meer entstehen lässt“, sagen die beiden Künstler. Für sie sei das Meer ein „spirituelles, verbindendes Element“.

Derweil stehen die Besucher der Emil-Nolde-Stiftung im schleswig-holsteinischen Seebüll staunend vor den Werken Noldes (1867-1956). Der gelernte Holzschnitzer malte die Nordsee in ihrer Urgewalt, aber auch mit einem tiefen, strahlenden Blau. Einem transzendenten Blau, wie es sich sonst nur Tausende Kilometer vom Festland entfernt mitten auf dem Ozean mit dem Himmel vereint. Kein Wässerchen, so scheint es auf diesen Aquarellen, kann den Meeresfrieden trüben.

„Nolde“, schrieb sein Biograf Max Sauerlandt 1921, „kennt das Meer, wie es vor ihm noch kein Künstler kannte.“ Für den Norddeutschen war es nährende Urmutter und gefährliche Sturzsee zugleich. Eine stürmische Fahrt im Fischkutter durch das Kattegat sollte Noldes Schaffenszeit prägen: „Dieser Tag ist mir in einer so starken Erinnerung geblieben, dass jahrelang ich darnach meine Meerbilder malte, die Bilder mit wogenden, wilden grünen Wellen und an der oberen Kante nur ein klein wenig gelblichen Himmel.“

Auf solche Naturschauspiele können die meisten Badegäste getrost verzichten. Sie halten es lieber mit romantischen Sonnenuntergängen auf Sylt, mit lauen Abenden auf der Strandpromenade von Travemünde und Sonnenbädern an Usedoms Puderzuckerstränden. Im Urlaub soll das Meer gezähmt, ungefährlich, warm und möglichst quallenfrei sein. Nur Steine und Muscheln werden gerne gesammelt. „Muscheln, Muscheln, blank und bunt/findet man als Kind/Muscheln, Muscheln, schlank und rund/darin rauscht der Wind“, dichtete einst der Hamburger Wolfgang Borchert (1921-1947).

Wer am Meer entlangläuft, Muscheln sammelt und die frische Seeluft atmet, tut seiner Gesundheit Gutes. Seit der Romantik im 19. Jahrhundert, bei der die Menschen ihre Beziehung zur Natur emotional neu entdeckten, spielt das Meer nicht allein aus Gründen des Broterwerbs eine Rolle. Vielmehr wird der Strand zum individuellen Ort von Sehnsüchten, Träumen, Selbstreflexionen und Leibesübungen. In der gesundheitsfixierten Leistungsgesellschaft loben Ärzte auch heute das Reizklima von Nord- und Ostsee. So lassen sich viele Menschen gern von Wind und Wellen verwöhnen, um sich fit zu halten.

„Die Faktoren Wind, UV-Strahlung, Salz, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wirken auf komplexe Weise zusammen und reizen den Körper einerseits, andererseits schonen sie ihn auch“, erklärt Reinhard Patzke, Oberarzt an der DRK-Nordsee-Reha-Klinik Goldene Schüssel in St. Peter-Ording. Gerade die Aerosole seien als Linderung bei Asthma und chronischer Bronchitis besonders zu empfehlen. Der Tipp des Nordsee-Arztes: „Der Salzgehalt in der Luft ist in der Brandungszone am höchsten. 15 Meter weiter in Strandrichtung ist die Salzkonzentration nur noch halb so hoch.“

Eine ganze Industrie bietet kosmetische und medizinische Produkte an. Der Verheißung der Thalassotherapie: Gesundheit aus dem Meer. Der Schlick aus dem Watt, sagt Dagmar Renner vom Heilbäderverband Schleswig-Holstein eigne sich bestens für die Behandlung von rheumatischen Erkrankungen, Durchblutungsstörungen und Blessuren des Bewegungsapparates.

Doch nicht allein Heilmittel, Badefreuden und romantische Impressionen mehren den Mythos Meer. Es ist insbesondere jene Eigenschaft, die Schriftsteller, Philosophen, Psychologen und die religiöse Überlieferung mit dem Begriff der Ewigkeit und Unendlichkeit auszudrücken versucht haben. „Das Meer“, meinte der Nobelpreisträger und Ostsee-Urlauber Thomas Mann (1875-1955), „ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit.“

Schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte kommt die innige Verbindung Gottes mit dem Ozean so zum Ausdruck: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ (1. Mose 1,2). Auch die antiken Philosophen sinnierten über die vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) sagte schließlich: „Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte.“

Was das heute bedeutet, zeigt der Boom der Kreuzfahrtindustrie. Bis 2015, so der Deutsche Reiseverband, werden jährlich mehr als zwei Millionen deutsche Kreuzfahrtpassagiere auf den Weltmeeren unterwegs sein. Sie buchen offenbar nicht nur wegen der üppigen Mahlzeiten an Bord. Es ist der Mix aus Luxus, maritimen und kulturellen Erlebnissen, Fernweh und Meeresabenteuern, der sie bis in die Arktis und Antarktis lockt.

Weil das Meer für Ambivalenz steht – für Schönheit wie für Schaudern. Mal zieht es uns an, mal stößt es uns ab. Es fasziniert mit der Farbe Blau und flößt zum anderen, wie in der gefürchteten Drake-Passage zwischen Südamerika und der nördlichen Antarktis, grau grollend und tobend Angst und Schrecken ein. Was ungeübten Passagieren des Hamburger Helgoland-Katamarans auf der Nordsee schon bei Windstärke vier passieren kann.

Diese Ambivalenz, das Nebeneinander unterschiedlicher Zustände, ist dem Meer eigen wie dem Menschen, der mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt sein kann. Vielleicht berührt das Meer deshalb die Seelen so sehr. Weil es ein Spiegel unserer Seele ist.

Saisonstart 2011: Von Hamburg nach Helgoland – zu einer wachsenden Hochseeinsel

Von Edgar S. Hasse

Ab Samstag den 9. April gibt es wieder eine tägliche Katamaran Verbindung nach Helgoland.Der Hochgeschwindigkeits-Katamaran „Halunder Jet“ der FRS Helgoline fährt täglich bis zum 30. Oktober von der Hansestadt Hamburg aus Deutschlands einziger Hochseeinsel, mit Zustiegsmöglichkeiten in Wedel und Cuxhaven, an.  Der Fahrpreis für einen Tagesausflug mit dem „Halunder Jet“ liegt ab Hamburg (9.00 Uhr ab St. Pauli Landungsbrücke3/4) und Wedel (9.40 Uhr ab Willkomm Höft)
für Erwachsene bei € 62,70 in der Jet Class und € 89,40 in der Comfort Class.

Erst waren die Pläne einer Landaufschüttung zwischen Helgoländer Felseninsel und vorgelagerter Düne vom Tisch. Doch unlängst haben die Insulaner auf einer Einwohnerversammlung überraschend und mit großer Mehrheit für dieses spektakuläre Modell votiert. Während 85 Prozent der Teilnehmer für die Vergrößerung der Insel von 1,7 auf rund 2,7 Quadratkilometer im Bereich der Düne plädierten, gab es für die kleine Landaufschüttung in der Nähe der Landungsbrücke deutlich weniger Stimmen. Sie hätte die Insel lediglich um zehn Hektar vergrößert.

Nach dem ersten großen und rechtlich noch nicht verbindlichen Stimmungstest soll nun im Sommer ein Bürgerentscheid stattfinden. „Es ist wichtig, dass sich die Helgoländer jetzt intensiv mit der Zukunftsplanung auseinandersetzen“, sagte Jörg Singer (parteilos), seit dem 1. Januar neuer Bürgermeister. „Ich glaube, dass es um eine Erweiterung der Insel geht und hoffe, dass wir das dieses Jahr entscheiden.“

Vor fast drei Jahren hatte der Hamburger Bauunternehmer Arne Weber mit der Idee einer Landverbindung zwischen Hauptinsel und Düne für Furore gesorgt, die jetzt auf so viel Zustimmung vor allem bei den jüngeren Helgoländern stößt. Bis zu 100 Hektar neues Land könnte durch Sandaufspülung in dem bis zu sieben Meter tiefen Gewässer entstehen, zusammen mit Wohnungen, Hotels, Stränden, Marina und einer komplett modernen Infrastruktur. Möglich würde dadurch auch das Anlaufen von Kreuzfahrtschiffen. Eine solche Hochseewelt Helgoland könnte die Insel mit den Lagunen zum Bade- und Wassersportparadies machen, schwärmt Kay Martens, Mitbegründer der Interessengruppe Hochseewelt Helgoland.

Nach dem Votum auf der Einwohnerversammlung zeigte sich Initiator Arne Weber im Gespräch mit der „Welt“ erfreut: „Wenn das durchkommt, hat Helgoland eine tolle Perspektive.“ Zwar rechnet er nicht damit, dass an der ursprünglichen Erweiterung um 100 Hektar festgehalten werde. Aber selbst eine kleinere Variante und mehrere Bauetappen seien der richtige Schritt in die Zukunft. Die Investitionskosten für die Rohlandgewinnung liegen nach seinen Angaben bei rund 100 Millionen Euro. „Ich stehe als Investor bereit“, sagte er.

Das andere Modell, auch „Schnitzellösung“ genannt, ist demnach vom Tisch. Danach sollte die Düne in ihrer jetzigen Gestalt erhalten bleiben und eine kleinere Erweiterung an der Landungsbrücke vorgenommen werden. „Die Schnitzellösung ist gegessen“, sagt Hotelier Detlev Rickmers von der Interessengruppe Hochseewelt Helgoland. Maßgeblich für die Neubewertung seien nicht vorrangig touristische Aspekte, sondern die demografische Entwicklung. „Wir müssen etwas für unsere Zukunft tun, denn es ist denkbar, dass die Helgoländer eines Tages aussterben“, sagt er.

Gegenwärtig leben auf Deutschlands einziger Hochseeinsel rund 1500 Einwohner. Lediglich 14 Prozent der Insulaner sind unter 20 Jahre alt, während deren Anteil bei den Bewohnern auf dem Land bei 21 Prozent liegt. Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil der 51- bis 70-Jährigen, der um ein Viertel über den Durchschnittswerten von Land und Kreis liegt, heißt in der Studie „Gesamträumliches Entwicklungskonzept Insel Helgoland“ vom Mai 2009. Dazu kommt eine erhebliche Verschlechterung des Arbeitsmarktes.

Während der Rückgang im Land Schleswig-Holstein und im Kreis Pinneberg im Vergleichszeitraum von acht Jahren jeweils rund drei Prozent betrug, waren es auf der auch „Fuselfelsen“ genannten Insel immerhin fast 29 Prozent. Weil sie mit 764 Einwohnern pro Quadratkilometer sehr dicht besiedelt ist, kann die Zukunft eigentlich nur in der Landgewinnung liegen. „Wir platzen aus den Nähten“, sagte Bürgermeister Singer dem NDR. „Wenn wir nicht in den Himmel wachsen, müssen wir schauen, wo diese Möglichkeiten liegen.“

Quellen: Mein Beitrag in der WELT, 21.1.2011; Reederei FRS, www.helgoline.de