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Gedanken zum Osterfest: Aufbruch zu mehr Gelassenheit

Der Tod Jesu mahnt uns auch, über den Umgang mit unserer Lebenszeit nachzudenken

Quelle: Mein Leitartikel im Hamburger Abendblatt, 30.3.2013
Von Edgar S. Hasse

Ich kann multitasking. Wer das sagt, verfügt nicht nur über die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Der benutzt auch ein Schlagwort der postmodernen Lebenswelt mit ihrem beschleunigten Tempo und Aktionismus. Zwar dauert eine Stunde heute noch genauso lang wie vor der Zeitmessung und Industrialisierung. Aber rasant gestiegen sind die Optionen, diese Stunde zu füllen und zu gestalten. Längst ist die Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre im Echtzeitmodus der digitalen Medien überwunden.
Selbst in der Freizeit springt der postmoderne Mensch, jede Passivität vermeidend, von Fitnessstudios und Yogakursen zu den Events der Erlebnisgesellschaft, um nur nichts zu verpassen. Und schnell noch einen Facebook-Eintrag posten, um bei seinen „Freunden“ im Gespräch zu bleiben.
Ostern dagegen ist von einer anderen Welt. Das Fest steht für den Aufbruch zu mehr Gelassenheit. Oder wie die Hamburger sagen können: Nun mal sutsche, und zwar mit unserer Lebenszeit.
Die Bertelsmann-Stiftung hat in ihrem Religionsmonitor von 2009 herausgefunden, dass zwei von drei Deutschen an ein Leben nach dem Tod glauben. In Ostdeutschland sind es nur 40 Prozent. Wer wie ein großer Teil der Bevölkerung den Horizont der Ewigkeit in seinem Lebensentwurf ausblendet, landet relativ hart in Raum und Zeit. Weil dabei die spirituelle, transzendente Dimension fehlt, wird jede Stunde im Regelfall vollgepackt mit blankem Aktionismus im Hier und Jetzt. Der aus Südkorea stammende Berliner Philosophie-Professor Byung-Chul Han schreibt: „Gerade auf das nackte, radikal vergänglich gewordene Leben reagiert man mit der Hyperaktivität, mit der Hysterie der Arbeit und Reproduktion.“
Hinter dieser neurotisch gesteigerten Aktivität, betonen Philosophen und Psychologen, steckt womöglich das Unvermögen, die eigene Endlichkeit zu akzeptieren. Jedes Nichtstun, jede Form längerer Passivität, verursacht Unruhe und ruft Schatten hervor, die an die eigene Sterblichkeit gemahnen.
Die christliche Tradition birgt dagegen als Schatz die Erfahrung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Weil der am Kreuz gestorbene Jesus an Ostern von Gott auferweckt wurde, bekommt unser Leben auf dieser Welt die Dimension der Ewigkeit. Der Tod – er lügt. Im österlichen Licht führt er ein Schattendasein. Die historisch-kritische Forschung hat das österliche Ereignis mit dem leeren Grab immer wieder in Zweifel gezogen. Das Grab Jesu sei nicht leer, sondern voll gewesen. Oder der Leichnam Jesu sei gestohlen worden – so lauten die Urteile.
Gegen eine solche Sicht der Dinge spricht aber, dass die biblische Ostergeschichte außerordentlich gut und von vielen Menschen bezeugt ist. Von Frauen genauso wie von den Aposteln, Hunderten von Brüdern und zuletzt Paulus. Und der hat darüber ausführlich im 15. Kapitel des Ersten Korintherbriefes geschrieben. Mehr noch: Die Sache Jesu – seine Botschaft von der Gottes- und Nächstenliebe – geht weiter. Bis heute.
Es ist die Energie der Hoffnung, die seitdem in Fülle fließt. Wer daraus lebt, begreift den eigenen Tod nunmehr als Tor zur Ewigkeit Gottes. Der muss nicht mehr Multitasking-fähig alles Erwünschte in sein begrenztes irdisches Leben packen. Die österliche Botschaft ist deshalb eine Anleitung zu mehr Gelassenheit im Umgang mit unserer Zeit. Ein solches Leben lässt Raum für Ruhe, für Fest- und Feiertage und für den arbeitsfreien Sonntag, für Kontemplation. Christen und Gottes Bodenpersonal sollten jene heitere Gelassenheit den Zeitläuften gegenüber immer wieder ausstrahlen. Wie glaubwürdig die Osterbotschaft ist, dürfte nicht zuletzt der Hamburger Kirchentag zeigen.
Heitere, fröhliche und gelassene Menschen werden – was zu hoffen ist – im Mai durch die Stadt ziehen und ein anderes Tempo vorleben als die hyperaktive Metropole.