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Hinrich C. G. Westphals Erinnerungen aus 40 Jahren: Andere Zeiten – unterwegs als Pfarrer und Journalist

 Umstrittene Nissan-Werbung 1997.

 

von Edgar S. Hasse

Quelle: DIE WELT, Hamburg, 10. Januar 2012, http://www.welt.de/print/die_welt/hamburg/article13806993/Als-ein-Pastor-den-Nissan-Konzern-stoppte.html

Der Autokonzern Nissan sorgte 1997 für Schlagzeilen. Im Auftrag der Japaner hatte eine Hamburger PR-Agentur die Werbung für den Kleinwagen Nissan entwickelt. „Dein Micra komme“ hieß es da etwa in Anspielung an das Vaterunser. Oder: „Seid versichert: Nissan ist bei Euch.“ Und schließlich texteten die PR-Profis: „Im Namen des Vaters, der Sohnes und der eiligen Familie.“

Einem Mann der Kirche stieß die bundesweite Werbung besonders sauer auf: Hinrich C. G. Westphal, Hamburgs evangelischer Öffentlichkeitspastor. Der engagierte Theologe und Journalist beschwerte sich prompt mit der von ihm gegründeten „Projektgruppe Glaubensinformation“ bei den Konzernoberen im fernen Tokio. Und siehe da, Nissan bat nach wenigen Tagen um Vergebung wegen der Verletzung religiöser Gefühle und rief die für Christen anstößige kommerzielle Werbung zurück. „Gott sei Dank gestoppt!“, titelte erleichtert „Autobild“ am 13. Juni 1997. Diese und viele andere Geschichten erfährt, wer das neuen Buch des prominenten Geistlichen und Publizisten liest – einem Schüler des Hamburger Theologen Helmut Thielicke. Unter dem Titel „Wege und Wunder. Unterwegs als Pfarrer und Journalist“ (Friedrich Wittig Verlag Kiel, 118 S., 12,95 Euro) will Hinrich C. G. Westphal zwar keine Autobiografie vorlegen. Aber in der Summe ist es ihm auf höchst unterhaltsame Weise gelungen, ein sehr persönliches Buch lebensgeschichtlicher Anekdoten zu schreiben. Schließlich kann er auf einen Erfahrungsschatz von 40-jähriger Arbeit in der Medienmetropole Hamburg zurückblicken. Mit einem Anfang ausgerechnet im Knast: „Als mein Studium beendet war, landete ich im Gefängnis, wenn auch nur beruflich“, schreibt der Seelsorger.

Mehr noch: Auf Westphals Initiative geht die Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ und „Der Andere Advent“ zurück. Zudem hat Westphal in Hamburg den ökumenischen Verein „Andere Zeiten“ ins Leben gerufen, dessen jährlich neu konzipierter Adventskalender eine einzigartige Erfolgsgeschichte ist. Im vergangenen Jahr wurden bereits 430. 000 Exemplare verkauft.

Im Kapitel „Fasten auf evangelisch“ schildert der Bestsellerautor , wie die Aktion 1983 bei einem Hamburger Journalisten-Stammtisch nach reichlich Wein und Zigaretten kurz vor Aschermittwoch aus der Taufe gehoben wurde. Die Journalisten aus diesem Kreis hätten entscheidend dazu beigetragen, dass die Aktion in der Passionszeit so schnell in Deutschland populär wurde, sagte Westphal am Montag bei der Präsentation des Buches. Nie habe Westphal als Pastor und Journalist ein Blatt vor den Mund genommen, betonte Michael Stahl, der Geschäftsführer des Wittig Verlages. Welches Konfliktpotenzial sich mit der Institution Kirche etwa ergeben kann, beschreibt der Autor im Kapitel „Kirche als Unternehmen“. Als vor rund zehn Jahren professionelle Managementberater kirchliche Strukturen auf den Prüfstand stellten, mehrten sich auch bei ihm Zweifel über die tatsächliche Effizienz dieser Arbeit. „Dabei müssen alle in der Kirche Verantwortlichen eines gemeinsam verhindern: dass wir strukturelle Luftgespinste spinnen und viele organisatorische Künste treiben, dabei aber immer weiter vom theologischen Ziel abkommen“, lautet seine Empfehlung. Oder anders gesagt: „Ich bin mehr für Missionieren als Fusionieren.“

Was das Buch uneingeschränkt empfehlenswert macht, ist die prägnante Sprache und die häufig humorvolle Perspektive. So kann auch nur einer schreiben, der die Bodenhaftung nicht verloren und das Gespräch mit den so genannten Kleinen Leuten immer gesucht hat. Was Hinrich C. G. Westphal in seinem publizistischen Unruhestand als nächstes schreibt? „Ich habe ein Buch über den christlichen Humor geplant“, sagt er mit gebotenem Ernst.