Archiv der Kategorie: Klimawandel

Antarktis: Auf Petermann-Island im Zentrum des Klimawandels

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Petermann-Island mit Eselpinguin-Kolonie im Hintergrund Foto: Hasse

Ich habe die Reise der MS Hanseatic 2014/15 im Auftrag der Reederei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten begleitet.
Südlichster Punkt war Petermann Island.

WO IST DAS: Pe­ter­mann Is­land liegt süd­lich des Pal­mer Ar­chi­pel an der Küste der Ant­ark­ti­schen Halb­in­sel. Sie ist 1,5 km lang und hat im Nord­wes­ten eine klei­ne Eis­kap­pe, ist je­doch nicht voll­stän­dig ver­glet­schert. Die Insel bil­det oft den süd­lichs­ten Punkt von Expeditionskreuzfahrten.

In der Hansestadt Bremen nennen die Kinder ihn respektvoll den „Pinguin-Doktor“. Und tatsächlich steht Rolf Schiel, Facharzt für Hals-Nasen-und-Ohren-Heilkunde, vor einer Kolonie von brütenden Eselpinguinen. Wir sind auf Petermann-Island. Die rund zwei Quadratkilometer große Insel liegt am 65. Breitengrad im westlichen Teil der Antarktischen Halbinsel. Der promovierte Mediziner trägt eine gelbe Jacke, Fernglas und einen Fotoapparat bei sich. Er begleitete bis Anfang Januar 2015 als Lektor für Biologie die Weihnachtsreise des Hamburger Expeditionsschiffes MS Hanseatic. Und wird danach für Polarnews aus der Schweiz weitere Expeditionsfahrten als Reiseleiter betreuen.
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Rolf Schiel: Biologe und Mediziner auf Petermann- Island. Foto: Hasse

Vor dem 58-jährigen versammeln sich gerade einige Passagiere des Schiffes. Sie stampfen in Gummistiefeln durch den Schnee und genießen den atemberaubenden Blick auf die Gletscherwelt im Südpolarmeer. Bei Lufttemperaturen von rund fünf Grad erreichen der antarktische Sommer und das Brutgeschäft der Eselpinguine jetzt ihren Höhepunkt.

Seit 20 Jahren wechselt der Bremer Facharzt mindestens einmal im Jahr sein Aufgabenfeld. Denn arbeitet er als gefragter Lektor auf Kreuzfahrtschiffen. Denn vor seiner ärztlichen Laufbahn absolvierte der gebürtige Ostfriese aus Leer ein Studium der Biologie mit den Schwerpunkten Zoologie und Mikrobiologie. Bis heute ist er von diesem Fachgebiet fasziniert.

Während seines Urlaubs unternimmt der Bremer Arzt Expeditionsreisen auf Kreuzfahrtschiffen vor allem zu den polaren Regionen. „In der Antarktis bin ich schon rund 50 Mal gewesen“, sagt er. Und beantwortet auf Petermann Island geduldig die Fragen der Gäste. Zum Beispiel, ob Robben auch Eier legen. Was sie natürlich nicht tun.

Schon oft hat Rolf Schiel in den vergangenen Jahren Petermann-Island besucht – ein Eiland, das nach dem deutschen Polarforscher und Geografen August Petermann (1822 bis 1878) benannt wurde. „Doch ich stelle mit Sorge fest, wie das Eis auf der Insel in den Sommermonaten weiter zurückgeht.“ In dieser Region, fügt der Mediziner und Biologe hinzu, hätten britische Forscher den höchsten Temperaturanstieg in der Antarktis festgestellt. Die Ursache sei der Klimawandel. „Diese Region ist vom Klimawandel besonders betroffen.“ Die Lufttemperatur sei in den vergangenen 20 bis 30 Jahren um durchschnittlich 2,5 Grad gestiegen. „Das ist eine gigantische Zahl.“

Die Folge: Anders als früher gibt es auf Petermann-Island deutlich mehr Eselpinguine, während sich die Adélie-Pinguine in kältere Regionen zurückziehen müssen.

Nach Angaben des Bundesumweltamtes erwärmt sich die Antarktische Halbinsel derzeit „stärker als der Rest der Welt“. Keine Region der Erde heize sich derzeit schneller auf, heißt es. So dokumentieren die Temperaturdaten des „Oak Ridge National Laboratory“ eine Erhöhung der Jahresmittelwerte von bis zu zwei Grad in den letzten 50 Jahren. Greenpeace warnt vor dem Kollaps des westantarktischen Festlandeises. Würde das gesamte Eis in der Antarktis schmelzen, könnte der globale Meeresspiegel um rund 3,3 Meter ansteigen.

Dass der westliche Teil der Antarktischen Halbinsel stärker von der Erderwärmung als der Osten betroffen ist, führt Rolf Schiel unter anderem auf die erdgeschichtliche Verbindung dieser Region mit dem südamerikanischen Festland zurück.

Wenn er wieder nach Bremen zurückkehrt, wird der Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie auch seinen kleinen Patienten vom Leben der Pinguine erzählen. „Die Kinder bringen gerne ihr Pinguin-Kuscheltier in die Praxis mit. Das nimmt ihnen die Angst vor dem Arztbesuch.“

Nach den vielen Reisen in die bedrohte Antarktis hat Rolf Schiel seinen persönlichen Lebensstil geändert. „Ich spare Energie“, sagt er, „und habe mein Auto längst abgeschafft.“ Statt dessen fährt er Fahrrad. Jeder Antarktis-Reisende, so hofft er, sollte zum Botschafter und Multiplikator dieser Region werden.

Der Autor, Edgar S. Hasse, hat als Kreuzfahrtseelsorger im Auftrag der Nordkirche die Weihnachtsreise der MS Hanseatic 2014 in die Antarktis begleitet.

Arved Fuchs auf dem 24. Meeresumweltsymposium in Hamburg

Die Angst der Jäger vor dem schmelzenden Eis
Foto: Fuchs
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Im Fokus des 24. Meeresumweltsymposiums am 3. und 4. Juni 2014 in Hamburg stehen aktuelle Themen zum Meeresumweltschutz in Nord- und Ostsee. Rund 500 Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung diskutieren umfassend über Forschung und neue Erkenntnisse im Ökosystem Meer. Die Experten tauschen sich über aktuelle Sachstände zur Umsetzung der Europäischen Meerestrategie-Rahmenrichtline (MSRL), der Reform der Europäischen Fischereipolitik, der Meeresüberwachung und des Offshore Engineerings aus. Zum Themenbereich Schifffahrt in Eisgebieten berichtet der Polarforscher Arved Fuchs aus eigener Erfahrung über Herausforderungen und Gefahren bei der Eisfahrt.

Der Bad Bramstedter Expeditionsleiter hat häufig die polaren Regionen der nördlichen Hemisphäre erkundet. Ein Schwerpunkt der Reisen mit seinem alten Haikutter liegt in der Beobachtung der Folgen des Klimawandels. „Die Arktis ist das Frühwarnsystem der Erde“, sagt der Forscher. Anfang 2000 hätten die Inuit noch mit einem ignorierenden Lächeln auf die Frage nach der unmittelbaren Bedeutung des Klimawandels für ihr Leben geantwortet, sagte Fuchs mir einmal in einem Gespräch für die WELT.

„Inzwischen“, sagt Arved Fuchs, „lächelt keiner mehr.“ Konnten die Bewohner von Siorapaluk einst im Sommer mit dem Hundeschlitten nach Kanada fahren, so ist das heute nicht mehr möglich. Immer häufiger brechen die Gespanne im brüchigen Eis ein. Die Jäger können in den Sommermonaten den Fjord nicht mehr verlassen, weil alles andere zu riskant wäre. Ein Ort im hohen Norden trägt den Namen „Ort, der niemals auftaut“. Die symbolische Bedeutung dieser Region ist durch die globale Erwärmung längst ad absurdum geführt. „Denn dort gibt es im Sommer kein Packeis mehr. Das Meer ist komplett offen. Wir erleben gerade den Beginn eines neuen Zeitalters“, meint Expeditionsleiter Fuchs.

Nach Eröffnung durch Monika Breuch-Moritz, Präsidentin des BSH, und Grußwort von Heike Imhoff aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit wird der Polarforscher Arved Fuchs den Auftaktvortrag zum Thema ‚Der Schutz der Meere – eine gesellschaftspolitische Verantwortung‘ halten.

Zu Beginn des Symposiums wird der derzeitige Stand der Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten diskutiert. Anschließend werden die Herausforderungen bei der Fahrt von Schiffen in Polargebieten näher betrachtet. Dazu wird auch der ‚Polar Code‘, der zurzeit bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO erarbeitet wird, vorgestellt. Neue Fangtechniken und Entwicklungen in der Fischereipolitik beschließen den ersten Tag.

Der zweite Tag des Meeresumweltsymposiums wird von dem breit gefächerten Themenblock Meeresüberwachung eingeleitet. Es werden unter anderem Forschungsergebnisse zu Schadstoffeinträgen des Elbe-Hochwassers in die Nordsee, oder digitale Erfassungsmöglichkeiten für Seevögel und Meeressäuger präsentiert. Der Themenblock Meeresnaturschutz betrachtet die drängenden Probleme der Gefährdung der Meeresumwelt – dies nicht nur in Nord- und Ostsee, sondern auch in der Antarktis.

Den Abschluss bilden Vorträge zum Bereich Offshore Engineering, die sich mit marinen Geoengineering-Maßnahmen und mineralischen Rohstoffen in den Meeren befassen.

Das jährliche Meeresumweltsymposium beschäftigt sich mit den Fragen und der Vereinbarkeit von Meeresnutzung und Meeresschutz. Es wird vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, Hamburg und Rostock (BSH) in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, Dessau (UBA) und dem Bundesamt für Naturschutz, Bonn (BfN) im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Berlin (BMUB) veranstaltet.

Quelle: BSH, Juni 2014 / E. S. Hasse