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Salvador de Bahia: Wo der Fußball auf den Künstler Hansen Bahia trifft

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Meist mit kräftigem Wind: Ein Küstenabschnitt von Salvador de Bahia (Brasilien)
Foto: Puntacaribe

Am 16. Juni ist es so weit: Um 18:00 Uhr ist endlich Anpfiff im deutschen WM-Auftaktspiel gegen Portugal in der Arena Fonte Nova in Salvador da Bahia. Und dort gilt es einiges zu entdecken! Sagt die Reiseagentur Embratur. Und das meine auch ich. Denn ich habe mich vor einiger Zeit auf die Spuren eines deutschen Künstlers in Salvador de Bahia begeben.

Die Stadt ist mit 2,7 Mio. Einwohnern die drittgrößte Brasiliens und darüber hinaus eine der geschichtsträchtigsten des Landes. Bis heute ist sie von der Kultur der Sklaven aus Afrika geprägt, was sich unter anderem in Axé (Musik), Candomblé (Religion) oder Capoeira (Kampftanz) zeigt. Salvador da Bahia wird auch aufgrund der Lebensfreude seiner Einwohner „Stadt der Glückseligkeit“ genannt. Für Touristen hält diese eine Vielzahl an Sehenswürdigkeiten, kulturellen Besonderheiten sowie landschaftlichen und kulinarischen Vorzügen parat, von denen manche an einem Tag entdeckt werden können.

Hamburg hat ihn aber längst vergessen: Karl Heinz Hansen, den Holzschneider, Grafiker, Zeichner und expressionistischen Maler mit dem ungewöhnlichen Erzähltalent. Nach dem 1. Weltkrieg in der Hansestadt aufgewachsen, zog es den Norddeutschen alsbald nach Südamerika. In Brasilien, im Bundesstaat Bahia, kam er zu künstlerischem Ruhm.. Doch seiner Heimatstadt hielt der 1978 verstorbene Künstler zeitlebens die Treue. Viele der Werke erschienen im Hamburger Christians Verlag. Ich habe seinen früheren Wohnsitz in São Felix (Bahia) besucht, wo er auch begraben liegt. Heute befindet sich dort die Hansen-Bahia-Stiftung.
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Selbstbildnis Hansen Bahia

Meine Eindrücke damals: Nur zwei Riesenschildkröten kriechen bei sengender Sonne tumb über die Erde. Die Ilse-Hansen-Straße, ein palmenbewachsener Gartenweg, führt den Besucher vom Eingang direkt zu einer Anhöhe, auf der das frühere Atelierhaus steht. Mit traumhaftem Blick auf den Rio Paraguaçu, der durch das fruchtbare, grüne Tal im Recôncavo fließt.Hier, im nordostbrasilianischen Säo Felix, lebte der Grafiker und Maler, der am 19. April 1915 in Hamburg geboren wurde und sich später Hansen-Bahia nannte. Der Hamburg nach dem Zweiten Weltkrieg verließ, weil er glaubte, das Exotisch-Fremde beflügele ihn künstlerisch mehr als seine hanseatische Herkunft und Heimat. Alle, die ihn kannten, Alinda, der deutsche Konsul von Salvador de Bahia, Wolfgang Roddewig, und der General-Manager von Dannemann in Brasilien, Hans Leusen, sagen: Hansen, der Kosmopolit, blieb im Herzen ein Hanseat.

Über die Zeit in Hamburg hat er seinen Freunden wenig anvertraut. Bekannt ist: „Als beim Feuersturm die Bomben fielen, war er als Feuerwehrmann im Einsatz“, weiß Carl von Hauenschild, sein Testamentsvollstrecker.

Welche tiefen seelischen Wunden der Nationalsozialismus bei dem jungen Malergesellen, Eisverkäufer und Artisten eines Wanderzirkus hinterließ, lässt sich nur erahnen. „Da war eine Säure und Bitternis in seinem Leben. Er litt bis zu seinem Tod unter den Judenmorden, den Verbrechen der Nazis“, erzählt von Hauenschild. In Hansens Spätwerk kehrt die diabolische Diktatur symbolisch zurück: Der Leidensweg Christi führt direkt in die Gaskammern von Auschwitz. Vielleicht verließ der Künstler, der nach dem Krieg Bilder der zerstörten Stadt zu zeichnen begann und als Journalist beim Kinderfunk im Sender Hamburg jobbte, seine Heimat, um vor der Vergangenheit zu fliehen. 1949 jedenfalls trifft der Norddeutsche im tropischen Säo Paulo ein, voller Träume, aber ohne Geld. Beginnt, erneut als Feuerwehrmann zu arbeiten. Verfaßt Bücher mit nützlichen Tips: „Wie schreibe ich einen Geschäftsbrief ?“ Oder: „So schreibe ich Liebesbriefe“. Sucht eine Stadt, die seine Sehnsucht nach Inspiration zu stillen vermag. Und findet sie in Salvador de Bahia, der afrikanischsten Stadt außerhalb Afrikas, im Nordosten Brasiliens. Bahia wurde zu seiner zweiten Heimat. Der Pelourinho, die historische Altstadt, und das schwarze Prostituiertenmilieu beflügeln seine Kunst; viele Holzschnitte spiegeln das pulsierende Leben in Spelunken und zwielichtigen Bars.
Obwohl Karl Heinz Hansen einst Hamburg verließ, hielt er seiner Heimat stets die Treue. „Das hörte man schon an seinem Dialekt“, meint Carl von Hauenschild. „Er sprach Portugiesisch mit Hamburger Akzent und trug oft eine Schippermütze. „Und sein Freund, der Hamburger Tropenarzt und Psychotherapeut Horst R. Flachsmeier, erinnert sich: „Hansen war ein echter Hamburger Buttje. Er hing ungeheuer an der Stadt.“ Der Umgang mit ihm sei allerdings „nicht leicht“ gewesen. „Man durfte ihn zum Beispiel nie mit seinem Vornamen, sondern nur mit Hansen-Bahia anreden.“