Archiv für den Monat: Dezember 2012

Buchtipps für die Advents- und Weihnachtszeit

 

Von Edgar S. Hasse

Drei Buchtipps für die Advents- und Weihnachtszeit 2012

1. ) Christine Eichel: Das deutsche Pfarrhaus, Quadriga Verlag,

Was haben der Schauspieler Peter Lohmeyer, Kanzlerin Angela Merkel und der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung gemeinsam? Stimmt – sie stammen aus einem evangelischen Pfarrhaus und sind aufgewachsen in einem „Hort des Geistes und der Macht“. So zumindest lautet der Untertitel jener subtilen kulturgeschichtlichen Innenschau über das deutsche Pfarrhaus, das die frühere „Focus“-  und „Cicero“-Kulturchefin Christine Eichel, selbst Pfarrerstochter, jetzt vorgelegt hat.  Was bei C.G. Jung in der radikalen Abgrenzung vom Vater und seinem theologischen Denken endete, trägt bei Angela Merkel in der Götterdämmerung ihrer Kanzlerschaft späte Früchte:  Im ostdeutschen Pfarrhaus, so die Autorin, habe sie gelernt, Selbstdisziplin zu üben. Denn sie stand – wie alle Pastorenkinder und ihre Eltern – gleichsam unter Dauerbeobachtung.   Christine Eichel lotet aus geistes- und kulturgeschichtlicher Perspektive die Ambivalenzen einer protestantischen Institution aus, die zwischen gesellschaftlicher Anpassung und Widerstand changiert, aber auch Ethos provoziert und Idyll generiert. Selbst die tragischsten Biografien, etwa die gewaltsame Revolte der RAF-Terroristin und Pfarrerstochter Gudrun Ensslin, werden in diesem Buch nicht  ausgespart.  Am Ende der profunden und sprachlich prägnanten Darstellung begründet die Autorin, warum sie an die Zukunft des  Pfarrhauses in der Postmoderne glaubt. Weil es   – sie verweist auf Bundespräsident Joachim Gauck – in seinem ethischen Handeln von einem „Hoffnungsüberschuss“ her lebt. Und Gauck muss es ja wissen: Schließlich ist er selbst Pastor gewesen.

Christine Eichel: Das deutsche Pfarrhaus. Hort des Geistes und der Macht, Berlin 2012, Quadriga Verlag, 367 Seiten, 22,90 Euro.

2. ) Adventskalender 2012 von ANDERE ZEITEN (Preis: 8 Euro)

Zum Nikolaustag eine CD mit den schönsten Adventsliedern, am 18. Dezember „Das Märchen vom Glück“ von Erich Kästner. Und am 1. Weihnachtsfeiertag ein mittelalterlicher Text mit einem futuristischen Rolltreppenfoto. Es ist viel los in der Adventszeit – selbst im Bestseller vom ökumenischen Verein „Andere Zeiten“.

Der Adventskalender „Der Andere Advent“ erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit im deutschsprachen Raum. Die Kalendermacher laden vom 1. Dezember an dazu ein, die Advents- und Weihnachtszeit besinnlich zu begehen. Und nicht im Konsumrausch, sondern mit exzellenten Fotos jenseits postmodernistischen Mainstreams und mit klarer Haltung in der Auswahl kultureller Texte.

 

3. )  „Vom Anfang im Ende. Ein Trostbuch für Tage in Moll“ (7,50 Euro), hrgs. von Thomas Kärst, Andere Zeiten Hamburg

Aus dem gleichen Hause stammt das „Trostbuch für die Tage in Moll“, pünktlich vor den grauen norddeutschen Novembertagen herausgegeben. Unter der Redaktion von „Andere-Zeiten“-Chef Pastor Thomas Kärst ist auch hier eine Sammlung von Poesie, Prosa und Aphorismen entstanden, die den großen Fragen des Lebens und Sterbens nachspüren wollen. „Traurigsein“, sagte einmal die Künstlerin Paula Modersohn-Becker, „ist wohl etwas Natürliches. Es ist wohl ein Atemholen zur Freude, ein Vorbereiten der Seele dazu.“ Das Trostbüchlein hilft dabei, sich in den Fragen der Generationen wiederzuerkennen – und die eine oder andere Antwort zu erhalten. Es ist für alle geeignet, die sich selbst in der lichterhellen Adventszeit noch nicht tief genug getröstet wissen.

Bestellungen für Kalender und Trostbuch: www.anderezeiten.de

 

Das Wunder von St. Katharinen – Wie eine Hamburger Hauptkirche mit Spendenmitteln rekonstruiert wurde

Von Edgar S. Hasse

 

 

Bildrechte: siehe oben

Quelle: WELT am SONNTAG, 2.12.2012 (http://www.welt.de/print/wams/hamburg/article111757530/Erfolg-einer-Spendensammlerin.html)

Auf diesen Moment freut sich Hauptpastorin Ulrike Murmann besonders: Wenn sie an diesem Sonntag mit Kreuz und Bibel und Bischöfin Kirsten Fehrs feierlichen Schrittes in St. Katharinen einzieht. Frisch renoviert, in strahlendem Weiß und mit gold funkelnden Sternen am Firmament des Kirchenschiffes, wird der sakrale Bau mit einem Festgottesdienst eingeweiht. Und wenn die Pröpstin und Pastorin beim Einzug auf das Gloria-Fenster über dem Altar schaut, dann, sagt sie, „kann ich mir gut vorstellen, dass mir dabei der Atem stockt“.

 

Es sind erhebende Momente nach fünf Jahren umfangreicher Sanierung, bei der jeder einzelne Stein jenes Gotteshauses untersucht und dokumentiert wurde, dessen Anfänge auf das Jahr 1256 zurückgehen. 23 Millionen Euro Spendengelder wurden in die mittelalterliche Kirche am Hafen investiert.

Dass die Sanierung der baufälligen Katharinenkirche ein solches Mammutprojekt werden würde, hat sich die Theologin bei ihrem Amtsantritt nicht vorstellen können. Kaum war die frühere Referentin von Bischöfin Maria Jepsen 2004 in ihr Amt als Hauptpastorin und Pröpstin eingeführt, lag das bauliche Gutachten über den wahren baulichen Zustand der Kirche vor.

„Ein Schock“, erinnert sie sich. Nicht nur die Schäden ließen für die Zukunft Böses ahnen. Auch die Sanierungskosten lagen für die Kirchengemeinde mit gerade mal 600 Mitgliedern in utopischer Höhe. Experten rechneten mit mindestens 13,5 Millionen Euro für die Außenrenovierung.

Doch woher das Geld nehmen?

Also begann für Ulrike Murmann, ihre Mitarbeiter und den Kirchenvorstand die wohl wichtigste Basisarbeit: Spenden sammeln. Ein Fundraising-Konzept mit einer professionellen Spendensammlerin musste erstellt, neue Sponsoren und Spender entdeckt und ein Freundeskreis für St. Katharinen aufgebaut werden. „Gut zwei Jahre hat es gedauert, bis das Früchte trug.“ Höhere Beträge kamen von Hamburger Stiftungen, Unternehmen und privaten Spenden. 6,5 Millionen Euro steuerte der Bund zur Sanierung bei; das Land Hamburg stellte 3,5 Millionen Euro bereit.

Ulrike Murmann führte viele persönliche Gespräche mit potenziellen Spendern – in ihren Büros genauso wie in Restaurants und privaten Wohnzimmern. „Es war mir nicht immer ganz leicht gefallen, andere um Unterstützung zu bitten“, sagt sie.

Aber ihre Argumente überzeugten. Sie erzählte, warum es sich lohnt, diese Kirche an diesem maritimen Ort zu erhalten. Sie berichte darüber, welche Rolle St. Katharinen als Hafencity-Kirche künftig spielen soll. Und sie gab ihren Gesprächspartnern das Gefühl, dass sie mit der Spende etwas Gutes, Sinnvolles tun können. „Ich bin dankbar für dieses Vertrauen“, sagt sie.

Als die Bauarbeiter und Orgelbauer, Architekten und Archäologen anrückten und jeder auf seine Weise an diesem Projekt mitwirkte, erlebte sie spürbare Freude bei allen Akteuren. Dass zwischendurch mal falsche Steine geliefert wurden und die Bauarbeiten stockten, ließ die Hauptpastorin zwar manchmal am Zeitplan zweifeln. „Insgesamt aber habe ich bewundert, mit welchem Enthusiasmus alle mitarbeiteten. Viele Handwerker haben es als besonderes Geschenk empfunden, an der Erneuerung dieser Kirche mitbauen zu dürfen“, erzählt sie.

Was dabei unter anderem ans Tageslicht kam, zeigt die Hauptpastorin und Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost bei einem Rundgang durch das Gotteshaus mit Begeisterung: die Reste eines noch gut erhaltenen Portals aus dem Jahr 1340. Das rechte Foto auf dieser Seite ist die erste öffentliche Aufnahme dieser kunsthistorischen Entdeckung. Das historische Portal soll künftig als „Außenvitrine“ sichtbar bleiben, von Experten weiter erforscht und mit einer Informationstafel ausgestattet werden.

Nun präsentiert sich St. Katharinen schön wie einst. Und außerdem noch komfortabel für die Besucher. Es gibt eine neue Fußbodenheizung und bequeme Stühle, eine bessere Akustik und bald sogar eine neue Orgel. Die Einweihung jener rekonstruierten Barockorgel, auf der schon Johann Sebastian Bach spielte, ist für Juni nächsten Jahres vorgesehen.

Die 51-jährige Hauptpastorin ist fasziniert von dem neuen, blendend weiß rekonstruierten Kirchenraum mit den zwölf Säulen. „Dieser erhebende Raum strahlt mit seiner lichten Klarheit Würde aus. Und obwohl er so hoch ist, fühlt man sich nicht verloren“, sagt sie. Nun werden hier wieder Gottesdienste, Konzerte, Vorträge stattfinden und neue Veranstaltungskonzepte erprobt.

Allerdings muss Hauoptpastorin Ulrike Murmann auch in den nächsten Monaten wieder ein bisschen als Spendensammlerin unterwegs sein. 3,5 Millionen Euro fehlen noch. Schließlich sollen auch die Turmhalle und die Büros noch wieder fein gemacht werden.