Bischöfinnen-Wahl Hamburg: Petra Bahr und Kirsten Fehrs im Porträt

Quelle: WELT am SONNTAG, 5. Juni 2011

Wegen der Missbrauchs-Skandale in ihrer Kirche ist Bischöfin Maria Jepsen vor einem Jahr zurückgetreten. Petra Bahr und Kirsten Fehrs bewerben sich um die Nachfolge. Die Wahl ist am 17. Juni im Michel. Edgar S. Hasse stellt die Bewerberinnen vor

PETRA  BAHR
Sie hat als Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche (EKD) in Berlin ein Forum ins Leben gerufen, das auf den ersten Blick so gar nicht in das Bild einer Mediengesellschaft passt. Bei den „Schwanenwerder Gesprächen“ treffen sich hochrangige Politiker, Kulturschaffende, Kirchenleute, Wissenschaftler und Wirtschaftsmanager. Es sind Menschen, die im normalen Leben einander wohl kaum begegnen würden. Unlängst, erzählt Petra Bahr, 45, hätten sich in Schwanenwerder ein Staatssekretär, ein Seelsorger aus Kabul und ein Filmemacher getroffen. Die grundsätzliche Bedingung dieser Treffen: Sie sind absolut vertraulich und daher nicht für die Berichterstattung in den Massenmedien bestimmt.
Solche Gespräche, sagt die Bischofskandidatin und Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, könnte sie sich auch für die beiden Hansestädte Hamburg und Lübeck vorstellen. So sehr die promovierte Theologin und gelernte Journalistin für das öffentliche Handeln der Kirche plädiert, so sollte es dennoch auch Räume eines vertraulichen, diskreten Diskurses geben. „Kirche muss sich auch einmal aus der Öffentlichkeit zurückziehen können.“
Petra Bahr, 1966 in Lüdenscheid geboren, hat Philosophie und Theologie studiert und als Referentin der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FEST) gearbeitet. Sie weiß sich in besonderer Weise durch den Tübinger Theologen Eberhard Jüngel geprägt. „Von ihm habe ich den Mut zur Gottesfrage gelernt. Also in keiner Weise verschämt die Frage nach Gott zu stellen.“
Die Theologin aus Berlin ist bei ihrer Kandidatur mit einer kulturprotestantischen Außenperspektive qualifiziert, die kirchenpolitische Statur, Erfahrungen bei der Kirchenfusion mit der Schlesischen Oberlausitz genauso umfasst wie den Blick auf die USA.
Dort hat sie die Konzepte von „Community Building“ näher kennengelernt. Sie zielen darauf, die einzelnen Stadtteile durch gemeinsame Aktionen von Sozialarbeit, Stadtentwicklung, Kultur und Kirche voranzubringen. „Gerade für kippende Stadtteile sind diese Konzepte geeignet“, sagt Petra Bahr. Im Falle ihrer Wahl zur Bischöfin von Hamburg und Lübeck sei „Community Building“ mit der Kirche als Impulsgeberin eine ihrer vordringlichen Aufgaben. Darüber hinaus möchte sie auch Bischöfin jener Menschen sein, die der Kirche fern stehen. „Manchmal werden sie abschätzig Karteileichen genannt. Aber es sind jene Menschen, die beim dritten Bier sagen: Ich bin eigentlich evangelisch.“
Stolpersteine sieht die EKD-Kulturbeauftragte beim Fusionsprozess der Nordkirche – und zwar dann, wenn sich die Christen nicht genügend Zeit lassen für das Zusammenwachsen. Sie will das „heilige Tempo“ am liebsten ein wenig drosseln. „Denn die Menschen brauchen Zeit und Orte, wo sie sich ihre Geschichten erzählen können. Neben den Strukturen müssen sich insbesondere die Menschen annähern.“
Verheiratet ist die Theologin mit Professor Hans Michael Heinig, einem Göttinger Verfassungsrechtler. Die beiden haben ein dreijähriges Kind. In ihrer Freizeit liest Petra Bahr gern Krimis – zwei bis drei Bücher die Woche immerhin. Gern fährt die Familie in die USA, nach Italien oder an die norddeutsche Küste. „Ich mag das Meer gerade dann, wenn es unwirtlich ist“, sagt sie.
Ihr Lebensmotto lautet, dem Liederdichter Paul Gerhardt entlehnt, „Unverzagt!“ Und tatsächlich entfaltet dieses Motto seine eigene Wirkungskraft, als Petra Bahr dieser Tage mit zwei Gehstützen zu ihrem theologischen Vortrag im Rahmen ihrer Kandidatur ins Rauhe Haus kommt. Ausgerechnet kurz vor ihrer Bahnfahrt von Berlin nach Hamburg, wo sie ein paar Tage zuvor die Vorstellungspredigt zu halten hatte, war sie am Fuß verletzt worden und musste operiert werden. Ein Reisender hatte sie mit seinem schweren Koffer gestoßen.
Unverzagt aber hielt sie unter Schmerzen ihre Vorstellungspredigt. Und ebenfalls unverzagt den theologischen Vortrag im Rauhen Haus. Der Wahl am 17. Juni im Hamburger Michel sieht die EKD-Kulturbeauftragte mit Freude, Gelassenheit – und unverzagt entgegen. Für den Abend hat sie Karten für das Konzert der Gruppe BAP im Stadtpark bestellt. Wie auch immer die Synodalen entscheiden, sie entscheiden auch darüber, ob Petra Bahr mit ihrem Mann das BAP-Konzert besuchen kann – oder nicht.
KIRSTEN FEHRS
Vor allem mit ihrem Lächeln erreicht Kirsten Fehrs, 49, das Herz ihrer Mitmenschen. Auch jetzt, da die Hauptpastorin von St. Jacobi und Pröpstin im Kirchenkreis Hamburg-Ost für das Amt der Bischöfin von Hamburg und Lübeck kandidiert, ist das nicht anders. Nur dass die Menschen ihr nun mit noch mehr Respekt begegnen. „Sie gehen anders mit mir um, seit ich mich für die Kandidatur entschieden habe“, sagt Fehrs in ihrem Hauptpastorinnen-Büro und nimmt einen Schluck Kräutertee. „Manche sagen sogar zu mir: Frau Kandidatin.“ In solchen Augenblicken weicht sie ein wenig zurück in ihrem Stuhl und sagt lächelnd: „Ich bin es doch nur.“
Die Bischofskandidatin Fehrs, 1961 in Wesselburen (Kreis Dithmarschen) geboren, ist eine Seelsorgerin von Format, die Nähe und Direktheit zu den Menschen sucht. Sie will verstehen und wahrnehmen, zuhören und hinschauen. Sie will dabei sein, wenn andere Christen nach Gott fragen, weil sie selbst ihre Fragen hat. Geprägt von dem Theologen Jürgen Moltmann, der in seinem Denken das Problem des mitleidenden Gottes entfaltet, plädiert sie für den Welt- und Diesseitsbezug des christlichen Glaubens – mit einem unbedingten Ja zu allen Höhen und Tiefen des Lebens. Das Sehnen der Menschen nach Gott könne sie nur allzu gut nachvollziehen.
Als Beispiel nennt sie die Pilgerarbeit an St. Jacobi, die unter ihrer Leitung als Hauptpastorin neue Wege geht und immer mehr Anhänger findet. „Die Pilger fragen häufig bei uns nach einer Fußsalbe“, erzählt sie. „Aber eigentlich wollen sie mit uns ins Gespräch kommen und wissen, welchen Lebensweg sie weiter gehen sollen.“ Die Menschen hätten eine „tiefe religiöse Sehnsucht, dass sie berührt werden von der Kraft, die nicht aus ihnen kommt“, sagt Kirsten Fehrs.
Nach dem Theologiestudium in Hamburg lernte sie das Pfarramt gleichsam von der Pike auf kennen, zunächst als Vikarin in Eckernförde und danach als Gemeindepastorin in Hohenwestedt im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Später folgten Leitungsfunktionen im Evangelischen Bildungswerk sowie bei der nordelbischen Personal- und Gemeindeentwicklung. Kirsten Fehrs ist daher in besonderer Weise mit allen kirchlichen Strukturen Nordelbiens bestens vertraut – und zwar in einer Weise, dass sie sich von ihnen in ihrem Handeln nicht beherrschen lässt. Sie will Strukturen gemeinsam mit den Mitarbeitenden gestalten. „Ich habe ein Leitungsbild des Dialogs und möchte, dass andere ihre Stärken entwickeln können. Sollte es Konflikte geben, werden sie so schnell wie möglich benannt. Da bin ich sehr wahrnehmungssicher.“
Im Falle ihrer Wahl zur Bischöfin geht es ihr unter anderem darum, die spezifisch Hamburger und Lübecker Erfahrungen in den Fusionsprozess der Nordkirche einzubringen. Die Arbeit der City-Kirchen, die diakonische Vielfalt, die evangelische Bildungsarbeit und der interreligiöse Dialog seien Markenzeichen und Schätze der beiden Hansestädte und ihrer Region. „Hamburg soll mit seinen vielen Erfahrungen und Möglichkeiten stärker in den Blick kommen“, sagt sie. Mit der Konsequenz, dass die urbanen Strukturen eine stärkere Berücksichtigung in der Nordkirchen-Verfassung finden sollten. Ganz oben auf der Prioritäten-Liste sieht Fehrs auch den wachsenden Gegensatz zwischen Armen und Reichen in der Stadt, die Entwicklung der Ökumene und die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der nordelbischen Kirche, der vor fast einem Jahr zum Rücktritt von Maria Jepsen als Bischöfin geführt hatte. Gerade in seiner solchen Situation, da sich die Kirche in einer Krise befinde, sei es reizvoll, ein solches Amt zu übernehmen. „Ich werde im Falle meiner Wahl versuchen, Stabilität zu zeigen. Aber ich werde keinesfalls das Fähnlein nach dem Wind hängen.“
Verheiratet ist die nordelbische Bischofskandidatin mit dem Pastor Karsten Fehrs. In der Freizeit besucht das Paar gern Konzerte. Kirsten Fehrs liest am liebsten Gedichte, joggt und hört Jazz. Das Lebensmotto entspricht so ganz ihrer Wesensart einer fröhlichen Gelassenheit, die zuweilen auch den Zweifel zulässt. Die Hauptpastorin und Pröpstin beruft sich dabei auf den Apostel Paulus. „Nicht Herren eures Glaubens sind wir, sondern Diener eurer Freude“, schrieb er einst. Freude auszustrahlen, fällt dieser Bischofskandidatin wirklich leicht. „Ich bin vom Naturell mit der Gabe der Lebensfreude gesegnet“, sagt sie. „Ich lebe gern.“

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