Archiv für den Monat: Juni 2013

Warum wir das Meer so lieben

priv 002
Auf der Hängematte das Mittelmeer erleben: Mein Schiff 1 vor der Kulisse Palma de Mallorcas, Foto: E. Hasse

Von Edgar S. Hasse

Quelle: Mein Beitrag im Hamburger Abendblatt, http://www.abendblatt.de/region/article117146812/Nord-und-Ostsee-Mehr-als-nur-Meer.html

Aus der Ferne dringt sanft ein Rauschen. Hinter dem Deich muss es sein, das Meer mit seinem Versprechen von Freiheit und Ferienfreude. Schnell die Stufen hoch, und schon ist sie da: die Ostsee, tiefblau bis zum Horizont. Mit 17 Grad in der Brandung, wie jetzt in Dahme (Schleswig-Holstein).

Mit dem Start der Sommerferien fahren Millionen Deutsche wieder an Nord- und Ostsee. An 1200 Kilometern Festküstenlinie warten Strandkörbe, Pensionen und Hotelburgen auf badelustige und sonnenhungrige Gäste. Allein im Juli reisen voraussichtlich 860.000 Urlauber nach Schleswig-Holstein, eine Million nach Mecklenburg-Vorpommern und 1,4 Millionen nach Niedersachsen. Die meisten zieht es ans Wasser. Jeder zweite Deutsche wünscht sich in den großen Ferien einen „Bade-, Sonnen- und Ausruhurlaub“, hat der ADAC-Reisemonitor 2013 herausgefunden. Immerhin 37,1 Prozent der Befragten planen ihren Sommerurlaub in Deutschland. Wandern? Muss nicht sein. Das wollen nur zwölf Prozent.

Stärker noch als Berge und andere Landschaften übt das Meer seine Faszination aus. Millionen Urlauber können nicht irren: Ferien am und auf dem Wasser garantieren Entspannung, Freizeitspaß und sportliche Abenteuer. Von Kite-Surfen bis Segeln und lautstarken Jetski-Fahrten bietet das Meer ambitionierten Urlaubern ein Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten.

Doch das Meer lädt nicht nur zum Baden ein. Es eröffnet zu jeder Jahreszeit neue Horizonte, es heilt, macht den Kopf frei, spricht alle Sinne an: Wie es duftet und funkelt. Wie es nach Salz schmeckt, wie das leise Rauschen der Wellen in den Schlaf wiegt. Und es macht Spaß, in die Fluten zu springen. Das Meer berührt Körper und Seele.

In der ewigen Monotonie von Ebbe und Flut, von Stille und Sturm, ist das Meer eine Metapher für das Leben selbst: Ständig ändert sich alles im Spiel von Wind, Wellen und Wolken und im Glanz von Sonne und Mond. Zwar gleicht kein Augenblick dem anderen. Aber eigentlich ändert sich gar nichts seit Millionen von Jahren. „So war es immer schon“, dichtete Theodor Storm (1817-1888), der Schriftsteller aus Husum, der „Grauen Stadt am Meer“, in „Meeresstrand“.

Mit Worten und Farben versuchen Künstler, das Faszinosum des Meeres zu ergründen und seine Schönheit auszudrücken. Die Kieler Künstler Ute und Jens Jacobsen haben ihre maritime Leidenschaft zur Profession gemacht: Sie leiten Urlauber an, das Meer direkt am Meer zu malen. Rund 1500 „Meeresmaler“ sind durch ihre Schule gegangen. „Aus dem Spiel von Wasser, Himmel, Wind, Sonne und Strand werden Menschen in eine kreative Schwingung versetzt, die einzigartige Bilder vom Meer entstehen lässt“, sagen die beiden Künstler. Für sie sei das Meer ein „spirituelles, verbindendes Element“.

Derweil stehen die Besucher der Emil-Nolde-Stiftung im schleswig-holsteinischen Seebüll staunend vor den Werken Noldes (1867-1956). Der gelernte Holzschnitzer malte die Nordsee in ihrer Urgewalt, aber auch mit einem tiefen, strahlenden Blau. Einem transzendenten Blau, wie es sich sonst nur Tausende Kilometer vom Festland entfernt mitten auf dem Ozean mit dem Himmel vereint. Kein Wässerchen, so scheint es auf diesen Aquarellen, kann den Meeresfrieden trüben.

„Nolde“, schrieb sein Biograf Max Sauerlandt 1921, „kennt das Meer, wie es vor ihm noch kein Künstler kannte.“ Für den Norddeutschen war es nährende Urmutter und gefährliche Sturzsee zugleich. Eine stürmische Fahrt im Fischkutter durch das Kattegat sollte Noldes Schaffenszeit prägen: „Dieser Tag ist mir in einer so starken Erinnerung geblieben, dass jahrelang ich darnach meine Meerbilder malte, die Bilder mit wogenden, wilden grünen Wellen und an der oberen Kante nur ein klein wenig gelblichen Himmel.“

Auf solche Naturschauspiele können die meisten Badegäste getrost verzichten. Sie halten es lieber mit romantischen Sonnenuntergängen auf Sylt, mit lauen Abenden auf der Strandpromenade von Travemünde und Sonnenbädern an Usedoms Puderzuckerstränden. Im Urlaub soll das Meer gezähmt, ungefährlich, warm und möglichst quallenfrei sein. Nur Steine und Muscheln werden gerne gesammelt. „Muscheln, Muscheln, blank und bunt/findet man als Kind/Muscheln, Muscheln, schlank und rund/darin rauscht der Wind“, dichtete einst der Hamburger Wolfgang Borchert (1921-1947).

Wer am Meer entlangläuft, Muscheln sammelt und die frische Seeluft atmet, tut seiner Gesundheit Gutes. Seit der Romantik im 19. Jahrhundert, bei der die Menschen ihre Beziehung zur Natur emotional neu entdeckten, spielt das Meer nicht allein aus Gründen des Broterwerbs eine Rolle. Vielmehr wird der Strand zum individuellen Ort von Sehnsüchten, Träumen, Selbstreflexionen und Leibesübungen. In der gesundheitsfixierten Leistungsgesellschaft loben Ärzte auch heute das Reizklima von Nord- und Ostsee. So lassen sich viele Menschen gern von Wind und Wellen verwöhnen, um sich fit zu halten.

„Die Faktoren Wind, UV-Strahlung, Salz, Temperatur und Luftfeuchtigkeit wirken auf komplexe Weise zusammen und reizen den Körper einerseits, andererseits schonen sie ihn auch“, erklärt Reinhard Patzke, Oberarzt an der DRK-Nordsee-Reha-Klinik Goldene Schüssel in St. Peter-Ording. Gerade die Aerosole seien als Linderung bei Asthma und chronischer Bronchitis besonders zu empfehlen. Der Tipp des Nordsee-Arztes: „Der Salzgehalt in der Luft ist in der Brandungszone am höchsten. 15 Meter weiter in Strandrichtung ist die Salzkonzentration nur noch halb so hoch.“

Eine ganze Industrie bietet kosmetische und medizinische Produkte an. Der Verheißung der Thalassotherapie: Gesundheit aus dem Meer. Der Schlick aus dem Watt, sagt Dagmar Renner vom Heilbäderverband Schleswig-Holstein eigne sich bestens für die Behandlung von rheumatischen Erkrankungen, Durchblutungsstörungen und Blessuren des Bewegungsapparates.

Doch nicht allein Heilmittel, Badefreuden und romantische Impressionen mehren den Mythos Meer. Es ist insbesondere jene Eigenschaft, die Schriftsteller, Philosophen, Psychologen und die religiöse Überlieferung mit dem Begriff der Ewigkeit und Unendlichkeit auszudrücken versucht haben. „Das Meer“, meinte der Nobelpreisträger und Ostsee-Urlauber Thomas Mann (1875-1955), „ist keine Landschaft, es ist das Erlebnis der Ewigkeit.“

Schon in der biblischen Schöpfungsgeschichte kommt die innige Verbindung Gottes mit dem Ozean so zum Ausdruck: „Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ (1. Mose 1,2). Auch die antiken Philosophen sinnierten über die vier Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft. Der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) sagte schließlich: „Das Meer gibt uns die Vorstellung des Unbestimmten, Unbeschränkten und Unendlichen, und indem der Mensch sich in diesem Unendlichen fühlt, so ermutigt dies ihn zum Hinaus über das Beschränkte.“

Was das heute bedeutet, zeigt der Boom der Kreuzfahrtindustrie. Bis 2015, so der Deutsche Reiseverband, werden jährlich mehr als zwei Millionen deutsche Kreuzfahrtpassagiere auf den Weltmeeren unterwegs sein. Sie buchen offenbar nicht nur wegen der üppigen Mahlzeiten an Bord. Es ist der Mix aus Luxus, maritimen und kulturellen Erlebnissen, Fernweh und Meeresabenteuern, der sie bis in die Arktis und Antarktis lockt.

Weil das Meer für Ambivalenz steht – für Schönheit wie für Schaudern. Mal zieht es uns an, mal stößt es uns ab. Es fasziniert mit der Farbe Blau und flößt zum anderen, wie in der gefürchteten Drake-Passage zwischen Südamerika und der nördlichen Antarktis, grau grollend und tobend Angst und Schrecken ein. Was ungeübten Passagieren des Hamburger Helgoland-Katamarans auf der Nordsee schon bei Windstärke vier passieren kann.

Diese Ambivalenz, das Nebeneinander unterschiedlicher Zustände, ist dem Meer eigen wie dem Menschen, der mal himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt sein kann. Vielleicht berührt das Meer deshalb die Seelen so sehr. Weil es ein Spiegel unserer Seele ist.

Mein Schiff 3 – Die Kiellegung im finnischen Turku

Edgar S. Hasse
Quelle: Welt am Sontag, 9. Juni 2013, Hamburg-Ausgabe

In der Nähe des finnischen Schärenmeeres spielte sich im Trockendock der Werft STX Finland Oy in Turku eine archaische Zeremonie ab. Es war gegen 22.30 Uhr und noch immer taghell, als junge, von weißen Kleidern umhüllte Frauen mit kleinen, symbolischen Münzen auf die Bühne traten. Vor ihnen verfolgten Hunderte von schwarz gekleideten Herren, wie diese Münzen in den zentralen Block eines neuen Kreuzfahrtschiffes gepresst wurden. Noch war fast nichts zu sehen von jener „Mein Schiff 3“ der Hamburger Reederei TUI Cruises, außer des rund 390 Tonnen schweren Kiels, der hoch oben über der Bühne schwebte und mit lauter Musik und imposantem Feuerwerk kurz vor Mitternacht nach unten gehievt wurde. Um schließlich die Glücksmünzen – so will es der maritime Brauch – im Schiffsrumpf zu verewigen.

Mit dem traditionellen Festakt in der finnischen Hafen- und Universitätsstadt mit Werftvertretern, Geldgebern und Repräsentanten von Reederei und Kreuzfahrtbranche feierte das Hamburger Unternehmen mit Sitz am Anckelmannsplatz Ende Mai 2013 die Kiellegung der „Mein Schiff 3“.

Der erste Neubau der 2008 gegründeten Flotte komplettiert die bisherigen Kreuzfahrtdampfer „Mein Schiff 1“ und „2“ und wird im Mai 2014 in den Dienst gestellt. Die Taufe findet voraussichtlich in der Hansestadt statt.

Am selben Tag gab Richard J. Vogel, Chef von TUI Cruises, in der finnischen Werft beim Stahlschnitt das Startsignal für den Bau der „Mein Schiff 4“, die 2015 in See stechen soll. Die baugleichen Schiffe werden jeweils eine Länge von 295 Metern haben und bis zu 2500 Passagieren Platz bieten. Jeweils 1000 Crewmitglieder kümmern sich um das Wohl der Gäste und um eine sichere Reise. Mehr als 1000 Werftarbeiter werden in den nächsten Monaten damit beschäftigt sein, die bereits produzierten Fertigteile nach dem Lego-Prinzip zu montieren. 82 Prozent der Kabinen werden über einen Balkon verfügen. Darüber hinaus gibt es einen 25 Meter langen Pool unter freiem Himmel, einen in 37 Meter Höhe schwebenden gläsernen Balkon und eine 167 Quadratmeter große Glasfassade in Form eines Diamanten am Heck.

Weltweit einzigartig ist das so genannte Klanghaus mit 300 Plätzen, in dem eine digitale Orgel erklingen wird. Mitten auf der See, so der Anspruch der Reederei, werde in Kooperation mit den weltweit führenden Opern- und Konzerthäusern eine echte Philharmonie-Atmosphäre die Zuhörer verzaubern. Nach eigenen Angaben will TUI Cruises zudem bei den Umwelttechnologien innovative Akzente setzen. So soll „Mein Schiff 3“ rund 30 Prozent weniger Energie verbrauchen als vergleichbare Schiffe und ein Abgasnachbehandlungssystem zur Reduzierung von Emissionen beitragen. Ob Umweltschutzverbände wie der Nabu mit diesen Maßnahmen zufrieden sind, wird sich erweisen, wenn das Schiff erstmals die Hansestadt ansteuert.

Als am 1. April 2008 die Zentrale ihren Betrieb aufnahm, waren mit Richard J. Vogel an der Spitze gerade mal fünf Mitarbeiter beschäftigt. „Inzwischen sind wir 180 in Hamburg und 20 in Berlin“, sagt TUI-Cruises-Chef Vogel. Bis zum Jahr 2014 soll die Zahl der Mitarbeiter auf insgesamt 270 wachsen. Die Jungfernfahrt der „Mein Schiff 3“ führt von Hamburg ins Mittelmeer. Diese Reise war binnen kurzer Zeit ausgebucht.