Lübecker Märtyrer: 9000 Besucher und 20 Bischöfe zu ökumenischem Ereignis erwartet

 

Von Edgar S. Hasse

(Quelle: WELT, 16. Juni 2011)

Mindestens 9000 Besucher, 60 Reisebusse mehr als 20 katholische und evangelische Bischöfe werden nächste Woche in Lübeck erwartet. Am 25. Juni verwandelt sich die Parade der Hansestadt in einen sakralen Ort, an dem die römisch-katholische Kirche unter freiem Himmel drei ehemalige Lübecker Kapläne selig spricht. Johannes Prassek, Hermann Lange und Eduard Müller sind damit als „Blutzeugen“ ihres Glaubens besonderer regionaler Verehrung würdig, weil sie gegen das NS-Regime kämpften und diesen Einsatz mit dem Leben bezahlen mussten. Für den vierten Märtyrer, den evangelischen Geistlichen Karl Friedrich Stellbrink, gibt es unter Beteiligung der evangelischen Kirche ein ehrendes Gedenken, da die Praxis der Selig- und Heiligsprechung bei den Protestanten nicht üblich ist. Bereits am 24. Juni findet zusätzlich ein evangelischer Gedenkgottesdienst in der Lübecker Lutherkirche statt.

„Diese vier Männer zeigen, dass es damals das andere Deutschland gab, das sich nicht gebeugt hat“, sagte der langjährige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, Kardinal Walter Kasper, der „Welt“. Die Seligsprechung und das ehrende Gedenken werde die Ökumene weiter festigen, betonte Erzbischof Werner Thissen am Mittwoch in Lübeck. Als Gäste erwartet werden auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD).

Die feierliche Zeremonie beginnt am Sonnabend in einer Woche um 11 Uhr mit einem Pontifikalamt und den Kardinälen Walter Kasper und Angelo Amato sowie Erzbischof Werner Thissen und Bischof Franz-Josef Bode. Von 13 Uhr an folgt ein Fest der Begegnungen auf der Domwiese. Der Sender Bibel TV überträgt das Pontifikalamt live.

Die vier Geistlichen waren am 10. November 1943 im Drei-Minuten-Takt durch das Fallbeil eines NS-Henkers im Hamburger Untersuchungsgefängnis Holstenglacis hingerichtet worden. Sie bildeten nach Ansicht von Historikern die einzige kirchliche Widerstandsgruppe, die über konfessionelle Grenzen hinaus ökumenisch aktiv war. Als die NS-Diktatur immer mehr Schrecken verbreitete, konfessionelle Kindergärten und Schulen in Lübeck geschlossen wurden, fanden sich die vier Männer zusammen.

Höhepunkt ihrer Aktivitäten bildete die gemeinschaftliche Vervielfältigung und Verbreitung der Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen, in denen er unter anderem die Tötung „lebensunwerten Lebens“ geißelte. Nur kurze Zeit nach den Verteilaktionen wurden die vier Lübecker von der Gestapo verhaftet. Hitler persönlich griff in die Formulierung der Anklageschrift ein und tilgte jeden Bezug zum Bischof von Münster, um keine Gegenreaktionen des Würdenträgers zu provozieren. Die Anklage lautete schließlich auf „Rundfunkverbrechen“, „Zersetzung der Wehrkraft“, „landesverräterische Feindbegünstigung“ und „Verstoß gegen das Heimtückegesetz“.

Erzbischof Werner Thissen war es, der 2004 die Initiative zur Seligsprechung der drei Lübecker Kapläne ergriff. Papst Benedikt XVI. entschied relativ zügig – die offizielle Seligsprechung wird nun das herausragende kirchliche Ereignis des Jahres in Lübeck. In besonderer Weise hat Kardinal Walter Kasper Leben und Werk der Lübecker Märtyrer wach gehalten. Er hält bei der Zeremonie die Predigt, während der evangelische Bischof Gerhard Ulrich – als Zeichen ökumenischer Verbundenheit – ein geistliches Wort an die Gläubigen richtet.

 

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